Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Zurechnung eines fiktiven Brutto-Stundenlohns bei fehlendem Nachweis von Stellenbewerbungen einer arbeitslosen unterhaltspflichtigen Köchin
Leitsatz (redaktionell)
Fehlt jeglicher Nachweis über konkrete Stellenbewerbungen, so ist einer arbeitslosen gelernten Köchin, die ihren minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, ein erzielbarer Brutto-Stundenlohn i.H.v. 10,00 EUR auch dann zuzurechnen, wenn im Einzelfall untertariflich bezahlt werden sollte.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Aktenzeichen 161 F 12794/05) |
Tenor
1. Der Antrag der Antragsgegnerin, ihr unter Beiordnung ihres Verfahrens-bevollmächtigten für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewillligen, wird zurückgewiesen.
2. Dem Antragsteller wird - unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten - ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligt.
Gründe
I. Durch am 11.7.2006 verkündetes Urteil ist die Ehe der Parteien geschieden, der Versorgungsausgleich ausgesetzt und die Antragsgegnerin zur Zahlung von Unterhalt für die beiden beim Antragsteller lebenden Kinder verurteilt worden. Gegen die Entscheidung zum Kindesunterhalt hat sie - unter Berufung auf ihre fehlende Leistungsfähigkeit - Berufung eingelegt und gleichzeitig beantragt, ihr für das Berufungsverfahren unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Der dahingehende Antrag war zurückzuweisen. Die beantragte Prozesskostenhilfebewilligung unter gleichzeitiger Anwaltsbeiordnung kommt derzeit nicht in Betracht, weil dem Rechtsmittel der Antragsgegnerin - jedenfalls auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes - die hierfür erforderliche Erfolgsaussicht fehlt.
Die Beklagte trifft gegenüber ihren minderjährigen Kindern eine verstärkte Erwerbsobliegenheit (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB). Danach hat sie sich entsprechend ihrer Vorbildung, ihren Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage um eine Berufstätigkeit zu bemühen, die es ihr ermöglicht, ihren Kindern den nötigen Unterhalt zur Verfügung zustellen. Insoweit hat das AG in dem angegriffenen Urteil allerdings zu Recht ausgeführt, dass der bisherige Vortrag der Antragsgegnerin nicht ausreicht, ihre mangelnde oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit zu belegen, insbesondere nicht festgestellt werden kann, dass sie sich - allein durch Vorlage einer Bewerbungsliste, die insgesamt lediglich 33 den Zeitraum von November 2004 bis Dezember 2005 betreffende "Anfragen" enthält - intensiv, ernsthaft und nachhaltig um die Erlangung einer Volltagstätigkeit bemüht hätte. Hiergegen richtet sich die Berufung ersichtlich auch nicht.
Mit ihrem Rechtsmittel wendet sich die Antragsgegnerin vielmehr (nur) gegen die Höhe der ihr aus fiktiver Erwerbstätigkeit zugerechneten Einkünfte. Diesbezüglich hat sich das AG an dem
Verdienst orientiert, den die Antragsgegnerin seiner Auffassung nach in ihrem erlernten - indes nicht ausgeübten - Beruf als Köchin erzielen könnte, und ihr insoweit fiktives Einkommen auf Basis eines Brutto-Stundensatzes von 10 EUR zugerechnet. Das ist nach Auffassung des Senats - im Hinblick darauf, dass die tarifliche Bruttogrundvergütung für Köche ab November 2004 im Tarifbereich Ost (ohne Berlin-Ost) zwischen 1.554 und 1.778 EUR und im Tarifbereich West (+ Berlin-Ost) zwischen 1.634 und 1.975 EUR liegt, und unter Berücksichtigung, dass nach den diversen vom Antragsteller erst- wie zweitinstanzlich vorgelegten Stellenangeboten Köche in Vollzeittätigkeit sowohl auf individueller als auch auf tarifliche Entlohnungsbasis gesucht werden - grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Bei dieser Sachlage und vor dem Hintergrund, dass weiterhin jeglicher Nachweis über konkrete Stellenbewerbungen der Beklagten fehlt, kann der von der Antragsgegnerin in der Berufung erhobenen Behauptung, neun namentlich von ihr benannte Unternehmer würden für Köche in Vollzeitbeschäftigung lediglich Brutto-Stundenlöhne von 6-7 EUR zahlen bzw. eine höhere Entlohnung nur für Teilzeittätigkeiten anbieten, keinerlei maßgebliche Aussagekraft zukommen. Die Antragsgegnerin verkennt, dass sich - gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit - regelmäßig erst nach erfolglosen intensiven und nachhaltigen Bemühungen beurteilen lässt, ob und zu welchen Bedingungen im Einzelfall eine Beschäftigungschance auf dem Arbeitsmarkt bestand oder besteht bzw. auszuschließen ist. Jedenfalls lässt die Tatsache, dass im Einzelfall untertariflich bezahlt wird, keinesfalls die Schlussfolgerung zu, dass auch sie selbst keine Beschäftigung zu der vom AG angenommenen Entlohnung finden könne. Solange aber - eben im Hinblick auf das Fehlen aussagekräftiger (abschlägiger) Bewerbungsunterlagen - ernsthafte Zweifel daran bestehen, dass bei angemessenen Bemühungen eine Beschäftigungschance von vornherein auszuschließen ist, geht das zu Lasten des Unterhaltsverpflichteten.
Die Antragsgegnerin erhält Gelegenheit, binnen 2 Wochen mitzuteilen, ob sie ihr Rechtsmitt...