Leitsatz (amtlich)
Wegen eines zehn Jahre überschreitenden, gegen Art. 5 Abs. 1 und 7 Abs. 1 EMRK verstoßenden Vollzugs einer erstmalig vor In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.1998 (BGBl. I 160) angeordneten Sicherungsverwahrung (EGMR, Urt. v. 17.12.2009 - Beschwerde-Nr. 19359/04) kommt ein auf Ausgleich der immateriellen Schäden gerichteter Entschädigungsanspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK gegen die Bundesrepublik Deutschland in Betracht.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 13.09.2011; Aktenzeichen 15 O 559/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 19.9.2011 wird der Beschluss des LG Berlin vom 13.9.2011 - 15 O 559/10 - dahin abgeändert, dass dem Antragsteller für die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug mit Wirkung vom 16.9.2009 unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt A.B.gewährt wird.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine gegen die Antragsgegnerin gerichtete Klage, mit der er immaterielle Entschädigung für seine zehn Jahre überschreitende Unterbringung in der Sicherungsverwahrung von Justizvollzugsanstalten des Landes N...-W...im Zeitraum vom 3.6.2005 bis zu seiner Freilassung am 17.7.2009 begehrt.
Er bezieht sich hierbei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17.12.2009 (Beschwerde Nr. 19359/04), wonach die Antragsgegnerin gegen Art. 5 Abs. 1 sowie 7 Abs. 1 EMRK verstoßen habe, indem sie durch § 67d Abs. 3 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.1998 (im Folgenden: § 67d Abs. 3 StGB a.F.) seit dem 31.1.1998 eine Verlängerung der ursprünglich bei erstmaliger Anordnung auf zehn Jahre begrenzten Anordnung der Sicherungsverwahrung auch über diesen Zeitrahmen hinaus und auch bei zum Zeitpunkt der Verlängerung der Sicherungsverwahrung bereits verurteilten Straftätern erlaubte. Anspruchsgrundlage für sein Begehren seien insbesondere Art. 5 Abs. 5 EMRK sowie der EU-rechtliche Staatshaftungsanspruch. Der Höhe nach hält der Antragsteller eine Ausrichtung an die in § 7 Abs. 3 StrEG vorgesehene Haftentschädigung von 25 EUR je Tag für geboten; der sich danach ergebende Betrag von 37.600 EUR sei im Hinblick darauf, dass die Art und Weise der Vollzugs der Sicherungsverwahrung menschenrechtswidrig gewesen sei auf 40.000 EUR aufzustocken. Daneben möchte er mit seiner beabsichtigten Klage von der Antragsgegnerin Freistellung von Steuern auf die Entschädigung und von den ihm entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten einfordern.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf Ziff. I der Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Das LG hat den Antrag mit dem vom Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde angegriffenen Beschluss zurückgewiesen, weil die von dem Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Im Wesentlichen hat es dies damit begründet, dass sich ein etwaiger Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK nicht gegen die Antragsgegnerin richte, sondern allein gegen das Land, dessen Behörden und Gerichte die Sicherungsverwahrung angeordnet und vollzogen hätten; andere Ansprüche hat es schon aus anderen Gründen nicht für gegeben erachtet. Wegen der Einzelheiten wird auf Ziff. II der Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Der Antragsteller hat gegen den Beschluss des LG vom 13.9.2011 mit Schriftsatz vom 19.9.2011, eingegangen bei Gericht am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt, der das LG mit Beschluss vom 6.12.2011 nicht abgeholfen hat.
Der Antragsteller hat seine Ansprüche - zunächst außergerichtlich - auch gegenüber dem Land N...-W...geltend gemacht. Der in N...-W...für die Bescheidung entsprechender Ansprüche zuständige Präsident des OLG H.hat die Ansprüche mit Schreiben vom 7.2.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Der Antragsteller hat inzwischen für die klageweise Weiterverfolgung dieser Ansprüche Prozesskostenhilfe beim LG Dortmund beantragt.
II. Die gemäß den §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere gemäß den §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3, 511 Abs. 2 Nr. 1, 569 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den seinen Prozesskostenhilfeantrag vom 15.9.2010 zurückweisenden Beschluss des LG Berlin vom 13.9.2010 ist begründet.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten liegen vor (§§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).
Der Antragsteller hat seine Bedürftigkeit hinreichend dargetan. Auch die weitere Voraussetzung des § 114 ZPO, dass die von dem Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, ist erfüllt. Hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe beantragenden Partei auf Grund ihrer Sachdarstellu...