Leitsatz (amtlich)
Es ist zum Beweise eines behaupteten Fahrstreifenwechsels des Unfallgegners nicht geboten, ein Sachverständigengutachten allein auf der Basis der Fahrzeugschäden einzuholen.
Denn der sachverständige Schluss von Fahrzeugschäden auf den Unfallhergang setzt im Falle eines behaupteten Fahrstreifenwechsels voraus, dass als Anknüpfungstatsache jedenfalls die Position eines der beteiligten Fahrzeuge auf der Fahrbahn zum Unfallzeitpunkt feststeht; anderenfalls kann die Begutachtung möglicherweise Aufschluss geben über den Anstoßwinkel, nicht jedoch zu der entscheidungserheblichen Positionierung der Fahrzeuge zu den Fahrstreifen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 170/05) |
Tenor
1. Es wird gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass der Senat nach Vorberatung beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.
2. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu binnen drei Wochen.
Gründe
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beides ist hier nicht der Fall. Der Senat folgt vielmehr den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden.
Insofern wird auf Folgendes hingewiesen:
I. Zutreffend hat das LG nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweis-aufnahme einen unfallursächlichen Fahrstreifenwechsel des Beklagten zu 1) nicht als bewiesen angesehen (§ 286 ZPO), was zu Lasten der Klägerin geht wegen des gegen sie als Auffahrende sprechenden Anscheinsbeweises (UA 6 ff.).
Diesen hat - wie das LG auf S. 7 des angefochtenen Urteils richtig ausgeführt hat - die Klägerin nicht erschüttert.
1. Bereits die persönliche Darstellung der Klägerin selbst zum Unfallhergang nicht geeignet, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Sie deutet im Gegenteil eher auf ein unfallursächliches Verschulden der Klägerin hin.
Sie hat vor dem LG am 4.7.2005 erklärt, sie habe beobachtet, wie das Beklagtenfahrzeug im Bereich der Brücke zunächst langsam nach links gekommen sei, ohne dass sie habe erkennen können, welche Veranlassung dafür bestanden habe. Sie habe beabsichtigt, das Beklagtenfahrzeug links zu überholen und dies auch versucht; weil der Beklagte zu 1) plötzlich in ihren Fahrstreifen hinüber gewechselt sei und gebremst habe, sei es zur Kollision gekommen.
Damit spricht nach der eigenen Darstellung der Klägerin viel dafür, dass sie - unter Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO - versucht hat, bei "unklarer Verkehrslage" zu überholen, was nach dieser Vorschrift unzulässig ist und regelmäßig zu erheblicher Eigenhaftung führt.
Letztlich kann dies jedoch dahinstehen; denn eine Haftung der Beklagten für den der Klägerin am 15.11.2004 entstandenen Schaden kann aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils nicht festgestellt werden.
2. Es ist nicht zu beanstanden, dass das LG weder ein Sachverständigengutachten zum Unfallhergang eingeholt hat noch dass es die Polizeibeamten zu den Äußerungen des Beklagte zu 1) bei der Unfallaufnahme nicht vernommen hat.
a) Die Klägerin hat sich für die von ihr behauptete Unfalldarstellung - Beklagtenfahrzeug zieht ohne Fahrtrichtungsanzeiger nach links auf den von ihr befahrenen Fahrstreifen hinüber mit der Folge einer Kollision - zunächst auf ihre eigene persönliche Anhörung gem. § 141 ZPO berufen (S. 3 der Klageschrift). Sodann hat sie unter Hinweis auf das Schadensbild die Einholung eines Sachverständigengutachtens dafür beantragt, "dass das Beklagtenfahrzeug sich zum Unfallzeitpunkt in Schrägposition vor dem klägerischen Fahrzeug, nämlich von rechts nach links wechselnd, befand" (Schriftsatz vom 7.6.2005, S. 1 und 2). Zusätzlich hat sie unter Hinweis auf die polizeiliche Ermittlungakten die unfallaufnehmenden Polizeibeamten B. und R. als Zeugen dafür benannt, dass der Beklagte zu 1. bei der Unfallaufnahme erklärt habe, er habe ein Fahrzeug von rechts kommen sehen und sei daraufhin nach links herübergezogen.
b) Mangels feststehender Anknüpfungstatsachen war es nicht geboten, ein Sachverständigengutachten auf Basis der Fahrzeugschäden einzuholen.
Der sachverständige Schluss von Fahrzeugschäden auf den Unfallhergang setzt im Fall eines behaupteten Fahrstreifenwechsels voraus, dass als Anknüpfungstatsache jedenfalls die Position eines der beteiligten Fahrzeuge auf der Fahrbahn zum Unfallzeitpunkt feststeht. Nur so lassen sich aus den Beschädigungen Schlüsse auf die Position anderer Unfallbeteiligter ziehen. Anderenfalls kann die Begutachtung möglicherweise Aufschluss geben über den Anstoßwinkel, nicht jedoch zu der bei einem Fahrspurwechsel entscheidungserheblichen Positionierung der Fahrzeuge zu den Fahrstreifen.
Ein solcher sicherer Ausgangspunkt fehlt hier.
Nach Klägerdarstellung fuhren die Fahrzeuge nebeneinander, nach Bekla...