Gründe
Die Jugendkammer des Landgerichts hat den Angeklagten inzwischen rechtskräftig wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, diese jeweils in Tateinheit mit versuchter Nötigung, zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren verurteilt. Es hat davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten und Auslagen des Verfahrens aufzuerlegen; über die notwendigen Auslagen, die den durch Beschluß vom 21. Februar 1994 als Nebenkläger zugelassenen Eltern des getöteten entstandenen sind, hat es keine Entscheidung getroffen. Hiergegen wenden sich die Nebenkläger mit der nach §§ 464 Abs. 3 Satz 1, 304 Abs. 3 Satz 1 StPO zulässigen sofortigen Beschwerde. Sie beantragen, dem Angeklagten die ihnen entstandenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Zur Entscheidung über das Rechtsmittel ist der Senat berufen, weil der mit der Revision des Angeklagten befaßt gewesene Bundesgerichtshof über die Auslagenbeschwerde der Nebenkläger nur dann hätte entscheiden können, wenn auch die Nebenkläger Revision eingelegt hätten (vgl. BGHR StPO § 464 Abs. 3 - Zuständigkeit 3; NStZ 1993, 31).
2. Die Entscheidung des Landgerichts über die "Kosten und Auslagen des Verfahrens" läßt die Frage unberührt, wer die notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen hat (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 1991, 982; NStE Nr. 4 zu § 472 StPO = JurBüro 1988, 1548; Nr. 6 zu § 472 StPO). Über diese Auslagen ist im Urteil ausdrücklich zu entscheiden (vgl. OLG Koblenz NStE Nr. 5 zu § 472 StPO, Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl., Rdn. 8; Schimansky in KK-StPO, 3. Aufl., Rdn. 8; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 41. Aufl., Rdn. 10; jeweils zu § 472). Fehlt eine solche Entscheidung, tragen die Nebenkläger ihre notwendigen Auslagen selbst (vgl. OLG Koblenz aaO; OLG Düsseldorf NStE Nr. 6 zu § 472 StPO).
3. Nach der Grundregel des § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO sind dem Angeklagten die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen, wenn er wegen einer Tat verurteilt wird, die den Nebenkläger betrifft. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Der Angeklagte ist wegen der Tötung des ... verurteilt worden. Diese Tat berechtigte die Eltern, sich der öffentlichen Klage als Nebenkläger anzuschließen (§ 3g5 Abs. 2 Nr. 1 StPO).
Von der Auferlegung der notwendigen Auslagen der Nebenkläger kann allerdings ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn es unbillig wäre, den Anklagten damit zu belasten (§ 472 Abs. 1 Satz 2 StPO). Ein Anlaß, aus Billigkeitserwägungen von der nach § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO gebotenen Entscheidung abzusehen, besteht nicht.
4. Im Hinblick darauf, daß das Landgericht gegen den zur Tatzeit heranwachsenden Angeklagten Jugendstrafrecht angewendet hat, kann jedoch nach §§ 74, 109 Abs. 2 Satz 1 JGG davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen. Kosten im Sinne des § 74 JGG sind nur die Gebühren und Auslagen der Staatskasse (§ 464 a Abs. 1 Satz 1 StPO). Der Begriff der Auslagen hingegen umfaßt auch die nach § 464 a Abs. 2 Nr. 2 StPO erstattungsfähigen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts eines anderen Verfahrensbeteiligten. Deshalb kann der verurteilte Heranwachsende von den notwendigen Auslagen des Nebenklägers entlastet werden (vgl. OLG Hamm NJW 1963, 1168; Brunner, JGG 9. Aufl., § 74 Rdn. 8; Eisenberg, JGG 6. Aufl., § 109 Rdn. 30 a; Ostendorf, JGG 3. Aufl., § 74 Rdn. 12). Im vorliegenden Fall besteht hierfür jedoch kein Anlaß.
Bei der nach § 74 JGG zu treffenden Ermessensentscheidung spielt nicht nur der das Jugendstrafrecht beherrschende Erziehungsgedanke eine Rolle, der die Auferlegung von Kosten und Auslagen im allgemeinen nur zuläßt, wenn dies aus erzieherischen Gründen angebracht ist (vgl. OLG Hamm aaO). Von Bedeutung ist auch, daß das Opferschutzgesetz vom 18. Dezember 1986 (BGB1. I S. 2496), mit dem das Recht der Nebenklage neu gestaltet wurde, den Gedanken des Täter-Opfer-Ausgleichs in den Vordergrund gerückt hat. Der Nebenkläger nimmt nunmehr seine Rechte unabhängig von der Staatsanwaltschaft (vgl Kleinknecht/Meyer-Goßner, vor § 395 StPO Rdn. 2) und entsprechend seiner besonderen Interessenlage wahr (vgl. Rieß/Hilger NStZ 1987, 145, 154). Eigene prozessuale Rechte versetzen ihn in die Lage, sich gegen Verantwortungs- und Schuldzuweisungen durch den Beschuldigten zur Wehr zu setzen (vgl. Hilger in Löwe/Rosenberg, Nachtrag, § 395 StPO Rdn. 2) und auf den Gang des Verfahrens gestaltenden Einfluß zu nehmen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO). Der Bedeutung der Nebenklage würde es nicht gerecht, wenn der Nebenkläger die ihm entstandenen notwendigen Auslagen selbst tragen müßte; denn einen Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung seiner notwendigen Auslagen hat er nicht (vgl. OLG Celle NDR 1975, 338; OLG Hamm aaO; Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 472 StPO Rdn. 3 mit Nachw.; Brunner aaO, Eisenberg aaO). Diese Erwägungen führen dazu, dem verurteilten Angeklagten eher die notwendigen Auslagen des Nebenklägers aufzuerlegen als ihn davon zu entlasten (vgl. Brunner aaO; Eisenberg aaO; Ostendorf aaO).