Entscheidungsstichwort (Thema)
Qualifikation einer Vermögensauseinandersetzung als „güterrechtliche Streitigkeit” i.S.v. §§ 23a Nr. 5 GVG, 1363 ff. BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Vermögensauseinandersetzung, die in Bezug auf einen einzelnen Vermögensgegenstand erfolgt und auf einer Vereinbarung beruht, welche den Güterstand der Parteien nicht gem. § 1408 BGB verändert, stellt keine "güterrechtliche Streitigkeit" i.S.v. § 23a Nr. 5 GVG, §§ 1363 ff. BGB dar.
2. Der Umstand, dass der Beklagte mit einem Anspruch aufrechnet, der, wenn er Gegenstand einer Klage wäre, dem Katalog des § 23a ZPO unterfiele, hat nicht zur Folge, dass der Rechtsstreit in die Zuständigkeit der Familiengerichte gerät.
Normenkette
BGB §§ 1408, 1363; ZPO §§ 23a, 606 Abs. 1 S. 1; GVG §§ 23, 23a Nrn. 4-5
Verfahrensgang
Tenor
Das LG Berlin wird als das sachlich zuständige Gericht bestimmt.
Gründe
I. Das LG Berlin und das AG Tempelhof-Kreuzberg (Familienabteilung) streiten über die sachliche Zuständigkeit für einen Rechtsstreit, in welchem der Kläger die Beklagte auf hälftige Auskehr - i.H.v. 6.400 EUR - des Verkaufserlöses für einen gemeinsamen Pkw gemäß einer zuvor geschlossenen Vereinbarung in Anspruch nimmt. Die Beklagte ist die getrennt lebende Ehefrau des Klägers; gegen die unstreitige Klageforderung rechnet sie mit Unterhaltsansprüchen ihrer Kinder auf. Das LG, bei dem die Klage eingereicht wurde, wies den Kläger zunächst telefonisch, später schriftlich, dass "nach der ... Aufrechnung mit Ansprüchen, die im Familienrecht wurzeln, die Zuständigkeit des Familiengerichts gegeben sein dürfte"; eine Begründung des Hinweises findet sich in der Gerichtsakte nicht. Der Kläger beantragte auf den zunächst erfolgten mündlichen Hinweis "hilfsweise" die Verweisung an das AG, für den Fall dass das LG dessen Zuständigkeit für gegeben erachten sollte; nach dem schriftlichen Hinweis beantragte er die Verweisung sodann unbedingt. Auch die Beklagte wünschte - nach einigem Schwanken - die Verweisung an das AG. Das LG erklärte sich darauf mit nicht begründetem Beschluss vom 14.4.2008 für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das AG. Das AG erklärte sich mit Beschluss vom 4.5.2008 ebenfalls für sachlich unzuständig und legte die Sache dem KG zur Zuständigkeitsbestimmung vor. Zur Begründung führte es an, die Aufrechnung sei wegen fehlender Identität der Parteien unzulässig und der landgerichtliche Beschluss mangels Begründung nicht bindend; ob allein die Aufrechnung mit einem familienrechtlichen Anspruch den Rechtsstreiten zu einer Familiensache werden lasse, könne dahinstehen.
II.1. Das KG ist gem. §§ 36 Abs. 1 Nr. 6, 621a Abs. 1 Satz 2 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes berufen, nachdem sich Land- und AG mit nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen für sachlich unzuständig erklärt haben.
2. Das LG ist gem. §§ 71 Abs. 1, 23 f. GVG sachlich zuständig. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Die Klageforderung übersteigt die Streitwertgrenze des § 23 Nr. 1 GVG und stellt keine Angelegenheit dar, für die das AG gem. §§ 23 Nr. 2, 23a GVG streitwertunabhängig zu ständig wäre. Insbesondere unterfällt die Klageforderung nicht dem Katalog der in § 23a GVG genannten familienrechtlichen Ansprüche (etwa Ehesache - Nr. 4; oder güterrechtlicher Anspruch - Nr. 5). Denn zwischen den Parteien ist kein Scheidungsverfahren o. Ä. anhängig, das den Rechtsstreit zur "Ehesache" i.S.v. § 23a Nr. 4 GVG, § 606 Abs. 1 Satz 1 ZPO werden ließe. Ebenso wenig stellt eine Vermögensauseinandersetzung, die - wie vorliegend - in Bezug auf einen einzelnen Vermögensgegenstand erfolgt und auf einer Vereinbarung beruht, welche den Güterstand der Parteien nicht gem. § 1408 BGB verändert, eine "güterrechtliche Streitigkeit" i.S.v. § 23a Nr. 5 GVG, §§ 1363 ff. BGB dar (BGH, NJW 1978, 1923; Philippi in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 621 Rz. 62). Der bloße Umstand, dass die Parteien Eheleute sind, führt im Übrigen nicht zur Annahme einer Familiensache (Philippi in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 621 Rz. 1).
Auch hat der Umstand, dass die Beklagte mit einem Anspruch aufrechnet, der, wenn er Gegenstand einer Klage wäre, dem Katalog des § 23a ZPO unterfiele, nicht zur Folge, dass der Rechtsstreit in die Zuständigkeit der Familiengerichte gerät. Dies ist in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem anerkannt (vgl. BGH NJW-RR 1989, 173 [174]; BayObLG NJW-RR 1986, 6 [7]; OLG Stuttgart, FamRZ 1979, 717 [718]; Bernreuther in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl. 2007, § 621 Rz. 10). Der Senat sieht keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Für die Auffassung spricht zum einen der klare Wortlaut der Regelung in §§ 71 Abs. 1, 23 f. ZPO. Zum anderen spricht für sie die Überlegung, dass dann, wenn man eine Aufrechnung mit "verfahrensfremden" Gegenansprüchen zulässt, notwendigerweise entweder das Gericht, welches für die Klageforderung zuständig ist, oder das Gericht, welches für die Gegenansprüche - bei ihrer klageweisen Durchsetzung - zuständig wäre, auch für das ihm "fremde" Recht zuständig ist; einen ungeschr...