Entscheidungsstichwort (Thema)
Formerfordernis des § 32d Satz 2 StPO gilt auch für als Verteidiger auftretende Hochschulprofessoren
Orientierungssatz
Orientierungssätze:
1. Folge der Nichteinhaltung der besonderen Formvorschrift des § 32d Satz 2 StPO ist die Unwirksamkeit der Erklärung.
2. Die besondere Formvorschrift des § 32d StPO gilt für Verteidiger und Rechtsanwälte; Hochschulprofessoren, die als Verteidiger auftreten, unterfallen daher ebenfalls der Norm.
3. Die durch die §§ 32a, 32d StPO vorgeschriebene Form ist nicht gewahrt, wenn sich die Person, die den Schriftsatz zu verantworten hat, des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs eines Dritten bedient und das Dokument nur einfach signiert.
Normenkette
OWiG §§ 46, 79-80, 110c S. 1; StPO §§ 32a, 32d, 44-45, 138 Abs. 1, § 341 Abs. 1, § 345 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 18.02.2022; Aktenzeichen 326 OWi 8/21) |
Tenor
Die (Hilfs-)Anträge des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und dessen Begründung gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. Februar 2022 werden als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. Februar 2022 wird als unzulässig verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Betroffenen in seiner Anwesenheit sowie in Anwesenheit seiner Verteidigerin Rechtsanwältin St, die ihn nur in diesem Termin vertrat, am 18. Februar 2022 wegen einer fahrlässigen Zuwiderhandlung gegen § 4 Abs. 1 Nr. 1 SARS-CoV-2-IfSV Bln zu einer Geldbuße in Höhe von 55,00 Euro verurteilt. Das Urteil wurde dem Verteidiger, einem Hochschulprofessor an der juristischen Fakultät der Universität X, am 22. März 2022 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 22. Februar 2022, bei Gericht per Briefpost eingegangen am 24. Februar 2022, hat der Verteidiger des Betroffenen einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Den Antrag hat er mit Schriftsatz vom 20. April 2022, beim Amtsgericht eingegangen per Briefpost am 22. April 2022, begründet. Der Betroffene hat eine fehlerhafte Ablehnung von Beweisanträgen durch das Amtsgericht gerügt. Im Übrigen hat er gerügt, dass der Tatbestand von § 4 Abs. 1 Nr. 1 SARS-CoV-2-IfSV Bln durch das festgestellte Verhalten des Betroffenen nicht erfüllt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Schriftsatz Bezug genommen.
Der Senat hat dem Verteidiger mit Schreiben vom 11. Mai 2022, ihm zugegangen am 16. Mai 2022, die vorläufige Einschätzung mitgeteilt, dass der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nach derzeitigem Sachstand als unzulässig zu verwerfen sei, weil er mangels Wahrung der gesetzlich vorgeschriebenen Form gemäß § 110c Satz 1 OWiG i.V.m. § 32d Satz 1, 2 StPO unwirksam sei. Mit Schriftsatz vom 23. Mai 2022, eingegangen beim Kammergericht als elektronisches Dokument ohne eine qualifizierte elektronische Signatur an diesem Tag - versandt über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach mit dem Absender "S" -, hat sich der Verteidiger des Betroffenen gegen die Anwendung von § 32d StPO im Ordnungswidrigkeitenverfahren und auch im Fall einer Verteidigung gemäß § 46 OWiG i.V.m. § 138 Abs. 1 StPO ausgesprochen. Er sei kein Rechtsanwalt, sondern habe die Verteidigung unentgeltlich übernommen. Er verfüge nicht über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach. Ein solches könne von ihm auch nicht verlangt werden, da er Verteidigungen nicht berufsmäßig übernehme. Hilfsweise hat der Verteidiger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die "versäumte Frist zur Begründung des Zulassungsantrags" beantragt und außerdem einen mit einer Begründung versehenen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Insoweit hat er ausgeführt, er sei ohne Verschulden an der Einhaltung der vorgeschriebenen Frist gehindert gewesen, denn eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung sei nicht erfolgt. Das Protokoll der Hauptverhandlung sei ihm nicht zugesandt worden, obwohl er mit Schriftsatz vom 22. Februar 2022 darum gebeten habe. So habe er nicht rekonstruieren können, ob eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung erfolgt sei. Die Terminsvertreterin Rechtsanwältin St habe sich nicht erinnern können, ob hinsichtlich der Notwendigkeit eines elektronischen Dokuments für den Zulassungsantrag und seine Begründung belehrt worden sei. Rechtsanwältin St habe ihm jedenfalls nichts Entsprechendes mitgeteilt. Seinen Vortrag hat der Verteidiger an Eides statt versichert. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde sowie den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig zu verwerfen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist unzulässig, denn er wurde nicht form- und fristgerecht erhoben.
1. Der ursprünglich gestellte Antrag auf Zulassung...