Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anspruch auf Beiziehung der Rohmessdaten aus Art. 103 GG
Orientierungssatz
Orientierungssätze:
1. Bei dem Antrag auf Beiziehung nicht bei den Gerichtsakten befindlicher Rohmessdaten (hier: Ausdruck mittels Tuff-Viewer erstellter Bilddatei) handelt es sich um einen Beweisermittlungsantrag, dessen Ablehnung nur unter Aufklärungsgesichtspunkten (§ 77 Abs. 1 OWiG bzw. § 244 Abs. 2 StPO) gerügt werden kann.
2. Als Verletzung des rechtlichen Gehörs kann die Versagung der Beiziehung nicht gerügt werden, weil Art. 103 Abs. 1 GG kein Recht auf Erweiterung der Gerichtsakten vermittelt.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; OWiG § 77 Abs. 1; StPO § 244 Abs. 2; StVG § 25 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 27.02.2020; Aktenzeichen 408 OWi 76/19 Jug) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 27. Februar 2020 wird gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Der Polizeipräsident in Berlin hat mit Bußgeldbescheid vom 18. Juli 2019 gegen den Betroffenen wegen fahrlässig begangener Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 47 km/h eine Geldbuße in Höhe von 225,00 € sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt und eine Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG getroffen. Auf seinen hiergegen gerichteten Einspruch hat das Amtsgericht Tiergarten den Betroffenen, der von seiner Erscheinungspflicht zur Hauptverhandlung entbunden und dort von seinem Verteidiger vertreten worden war, am 27. Februar 2020 wegen der zuvor genannten Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 200,00 € verurteilt, ihm für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen und eine Anordnung nach § 25a Abs. 2a StVG getroffen.
Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat mit Zuschrift vom 13. August 2020 beantragt, die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
a) Die Rüge der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens ist bereits unzulässig, weil sie nicht in der nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlichen Weise ausgeführt worden ist.
Danach ist eine Verfahrensrüge nur dann in zulässiger Weise erhoben, wenn der Beschwerdeführer die den Mangel enthaltenen Tatsachen angibt. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig (ohne Bezugnahmen und Verweisungen) zu erfolgen, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift ohne Rückgriff auf die Akten erschöpfend prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen - ihre Erweisbarkeit vorausgesetzt - zutreffen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2013 - 2 StR 34/13 -, juris; Senat, Beschlüsse vom 14. Februar 2020 - 3 Ws (B) 6/20 - und 5. Februar 2019 - 3 Ws (B) 3/19 -, juris). In zulässiger Form ist die Rüge der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrages, die in der Sache eine Aufklärungsrüge ist (vgl. Seitz/Bauer in Göhler, OWiG 17. Aufl., § 77 Rdn. 28), dem folgend nur erhoben, wenn die Rechtsbeschwerde neben dem Beweisantrag und dem ablehnenden Gerichtsbeschluss die Tatsache, die das Gericht zu ermitteln unterlassen hat, und das Beweismittel bezeichnet, dessen sich der Tatrichter hätte bedienen sollen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 14. Februar 2020 und 5. Februar 2019 jeweils a.a.O.). Außerdem ist für eine zulässige Aufklärungsrüge die konkrete und bestimmte Darlegung derjenigen Umstände und Vorgänge erforderlich, die für die Beurteilung der Frage, ob sich dem Gericht die vermisste Beweiserhebung aufdrängen musste, bedeutsam sein konnten (vgl. BGH NStZ 1999, 45) und welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre (vgl. Senat, Beschlüsse vom 14. Februar 2020 a.a.O. und 1. August 2019 - 3 Ws (B) 232/19 -, juris; KG, Beschluss vom 12. September 2018 - (2) 161 Ss 141/18 (40/18) - m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt die Rechtsmittelbegründung nicht. Zwar enthält die Rechtsbeschwerde Angaben dazu, inwieweit sich die Urteilsgründe zu dem abgelehnten Beweisantrag verhalten. Sie versäumt es jedoch, den Inhalt des gerichtlichen Beschlusses, mit dem das Tatgericht den Beweisantrag in der Hauptverhandlung abgelehnt hat, mitzuteilen. Darüber hinaus wird in der Rechtfertigungsschrift auch nicht - worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift zu Recht hinweist - hinreichend dargelegt, woraus sich die Notwendigkeit der Einblendung einer "Hilfslinie" im Auswerterahmen des Messgerätes und der Verwendung...