Leitsatz (amtlich)

Die Zuweisung eines Grundstücks an einen von mehreren Erben in Anlage IV Ziffer 9 eines Europäischen Nachlasszeugnisses ist bei italienischem Erbstatut hinreichende Grundlage für eine berichtigende Eintragung des Erben als Alleineigentümer im Grundbuch.

 

Normenkette

Codice Civile (Italien) Art. 649, 733-734; EuErbVO Art. 1 Abs. 2, Art. 23, 31, 63 Abs. 2, Art. 69 Abs. 2; GBO §§ 22, 35

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag auf Grundbuchberichtigung vom 16. Juni 2022 durch Eintragung des Beteiligten als Alleineigentümer zu vollziehen.

 

Gründe

Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 71 ff. GBO) und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Beteiligte ist gemäß § 22 GBO antragsgemäß berichtigend als Alleineigentümer im Grundbuch einzutragen, denn er hat mit dem vorgelegten Europäischen Nachlasszeugnis vom 13. April 2022 der Notarin Dr. M. A. in M. (Register Nr. ..., Urkundenrolle Nr. ...) nachgewiesen, dass das Grundbuch unrichtig und anstelle der eingetragenen Eigentümerin nunmehr der Beteiligte Alleineigentümer des im Beschlusseingang bezeichneten Wohnungseigentums ist.

Ausweislich des Europäischen Nachlasszeugnisses ist die eingetragene Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Wohnungseigentums verstorben und aufgrund gewillkürter Erbfolge von dem Beteiligten und ... beerbt worden. Das Nachlasszeugnis weist in Anhang A (Formblatt V Anlage IV) unter Ziffer 9 ferner aus, dass (nur) dem Beteiligten "die Immobilieneinheit, gelegen in: S ...-Straße ..., WE ..., 1... Berlin (Deutschland), im Grundbuch von Friedrichshain eingetragen unter der Nummer ..." zugewiesen wurde.

Auf die Rechtsnachfolge findet gemäß Art. 21 Abs. 1 EuErbVO italienisches Recht Anwendung, weil die Erblasserin zum Zeitpunkt ihres Todes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Italien hatte (Ziffer 8 des Europäischen Nachlasszeugnisses). Das italienische Erbrecht sieht vor, dass auch einem Erben ein (Voraus)Vermächtnis zugewandt werden kann. Ist Gegenstand eines Vermächtnisses das Eigentum an einer bestimmten Sache oder ein anderes dem Erblasser zustehendes Recht, so geht das Eigentum oder das Recht mit dem Tode des Erblassers von diesem auf den Vermächtnisnehmer über, ohne dass es dazu einer Annahme bedarf (Art. 649 Abs. 1 und 2 CC). Bei Einsetzung mehrerer Erben kann der Erblasser eine Teilungsanordnung treffen, die die Erben nur schuldrechtlich bindet (Art. 733 CC), oder er kann den Nachlass gemäß Art. 734 CC mit dinglicher Wirkung selbst teilen. Im letzteren Fall geht das Eigentum an den Einzelgegenständen im Augenblick der Erbschaftsannahme unmittelbar auf die als Erben bestimmten Personen über, ohne dass vorher eine Erbengemeinschaft eingetreten wäre (Ferid/Firsching/Hausmann, Internationales Erbrecht, Italien, Rdn. 670).

Vor diesem Hintergrund ist die Zuweisung des verfahrensgegenständlichen Wohnungseigentumsrechts an den Beteiligten in Ziffer 9 des Anhang A des Europäischen Nachlasszeugnisses ein hinreichender Beleg dafür, dass der Beteiligte durch den Erbfall, jedenfalls aber mit der in Ziffer 2 des Anhangs A nachgewiesenen Annahme der Erbschaft, Alleineigentümer des Wohnungseigentumsrechts geworden ist, ohne dass es hierfür einer Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bedurfte. Gemäß Art. 63 Abs. 2 lit. b EuErbVO soll ein Europäisches Nachlasszeugnis als Nachweis für die Zuweisung eines bestimmten Vermögenswertes des Nachlasses an die in dem Zeugnis als Erbe oder gegebenenfalls als Vermächtnisnehmer genannte Person verwendet werden können. Da die Bescheinigung der Erbquote bereits in Art. 63 Abs. 2 lit. a EuErbVO geregelt ist, muss sich der Begriff des "Vermögenswerts" im Sinne von Art. 63 Abs. 2 lit. b auf einen anderen Aspekt beziehen. Wie aus anderen Sprachfassungen hervorgeht, sind mit "Vermögenswerten" einzelne Nachlassgegenstände gemeint (Fornasier in Dutta/Weber, Internationales Erbrecht, 2. Aufl., Art. 63 EuErbVO Rdn. 34). Die betreffenden Gegenstände sind gemäß Art. 68 lit. l, m EuErbVO im Zeugnis anzugeben (Fornasier a.a.O. Rdn. 37). Eintragungen hierzu sind im Formblatt V Anlage IV Ziffer 9 bzw. Anlage V Ziffer 5 vorzunehmen. Wie bereits im Rahmen des Art. 63 Abs. 2 lit. a EuErbVO sind die Begriffe "Erben" und "Vermächtnisnehmer" im Sinne des Art. 63 Abs. 1 EuErbVO zu verstehen und beziehen sich somit nur auf Erben, auf die der Nachlass unmittelbar von Todes wegen ohne rechtsgeschäftliche Übertragungsakte übergeht, sowie auf Empfänger dinglich wirkender Vermächtnisse (OLG München, ZEV 2017, 580; OLG Nürnberg ZEV 2017, 579; Fornasier a.a.O. Rdn. 34). Bei einer Eintragung in Formblatt V Anlage IV Ziffer 9 bzw. Anlage V Ziffer 5 kann es sich deshalb nicht um einen nur schuldrechtlichen Anspruch auf entsprechende Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft oder Übertragung eines Vermächtnisgegenstands handeln, sofern die Eintragung nicht ausdrücklich anderes kenntlich macht.

Es ist auch nicht anzuzweifeln, dass sich die in Formblatt V Anlage IV Ziffer 9 ausgewiesene Zuweisung auf da...

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