Leitsatz (amtlich)
Unterbleibt in einem Beschwerdeverfahren, in dem sich der testamentarische Erbe gegen die Zurückweisung seines Erbscheinsantrags wendet, die erforderliche Beteiligung der gesetzlichen Erben, ist deren Gehörsrüge unzulässig, wenn das Nachlassgericht in Umsetzung der Beschwerdeentscheidung bereits den Erbschein zugunsten des testamentarischen Erben erteilt hat.
Für die Gehörsrüge fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis, weil die Einziehung des Erbscheins nicht in dem auf die Gehörsrüge fortzusetzenden Beschwerdeverfahren, sondern nur in einem gesonderten Einziehungsverfahren gem. § 2361 BGB erfolgen kann.
Normenkette
FamFG § 44; BGB §§ 2359, 2361
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 62 VI 264/11) |
Tenor
Die Gehörsrüge wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I. Die am 13.1.2011 verstorbene Erblasserin hatte am 20.9.2001 gemeinsam mit ihrem am 29.12.2008 vorverstorbenen Ehemann ein Testament errichtet, in dem sich die Eheleute gegenseitig als Erben einsetzten. Weiter heißt es in dem Testament:
"Bei gleichzeitigem Ableben der beiden Unterzeichneten dieses Testaments fällt das gesamte Vermögen dem Z.G.B.A. G. zu ...
... Der überlebende Ehegatte ist jederzeit berechtigt, das Testament zu ändern und eine andere Verfügung zu treffen."
Die Beteiligte zu 1) hat unter Berufung auf das vorgenannte Testament die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins beantragt.
Das AG hat den Erbscheinsantrag mit Beschluss vom 22.6.2011 zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat der Senat mit Beschluss vom 20.9.2011 den angefochtenen Beschuss geändert und die zur Erteilung eines Erbscheins, der die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin ausweist, erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.
Das AG hat am 17.10.2011 den Erbschein zugunsten der Beteiligten zu 1) erteilt.
Die gesetzlichen Erben, für die mit Beschluss des AG vom 22.2.2011 ein Nachlasspfleger bestellt worden war, wurden an dem Erbscheinsverfahren nicht beteiligt.
Der Beteiligte zu 2) ist ein Großcousin der Erblasserin. Mit seiner am 25.11.2011 eingegangenen Gehörsrüge beantragt er, das Erbscheinsverfahren unter Beteiligung der gesetzlichen Erben fortzuführen und den erteilten Erbschein einzuziehen.
II. Die Gehörsrüge ist gem. § 44 FamFG statthaft, weil der Beteiligte zu 2) die Verletzung seines rechtlichen Gehörs geltend macht und ein Rechtsmittel oder ein Rechtsbehelf gegen den Beschluss des Senats vom 20.9.2011 nicht gegeben ist.
Sie ist auch gem. § 44 Abs. 2 FamFG form- und fristgerecht eingelegt worden; der Beteiligte zu 2) hat durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht, dass er erstmals am 11.11.2011 von dem Beschluss des Senats vom 20.9.2011 Kenntnis erlangt hat.
Es fehlt jedoch am Rechtsschutzbedürfnis für die Gehörsrüge, weil der Beteiligte zu 2) sein Ziel, nämlich die Beseitigung des Erbscheins vom 17.10.2011, mit der Gehörsrüge nicht erreichen kann.
Der in Umsetzung des Senatsbeschlusses vom 20.9.2011 zugunsten der Beteiligten zu 1) erteilte Erbschein kann ausschließlich durch Einziehung gem. § 2361 BGB beseitigt werden. Für die Einziehung ist das Nachlassgericht zuständig, bei dem der Beteiligte zu 2) bereits einen entsprechenden Antrag gestellt hat.
Die Gehörsrüge hingegen könnte - auch bei unterstelltem Erfolg - nicht zur Einziehung des Erbscheins führen, weil sie nur die erneute Überpüfung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 22.6.2011 im Rahmen des fortzuführenden Beschwerdeverfahrens eröffnet.
Dies folgt aus der Natur des Rügeverfahrens: Es ist kein selbständiges Verfahren, sondern dem durch den angegriffenen Beschluss zunächst beendeten Verfahren angegliedert. Daher wird im Falle einer zulässigen und begründeten Anhörungsrüge das Verfahren nach § 44 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 5 fortgeführt, indem es in den Stand zurückversetzt wird, der vor Erlass des angegriffenen Beschlusses gegeben war (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 17. Aufl., § 44 Rz. 55).
Bei Erfolg der Gehörsrüge hätte der Senat demnach erneut über die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 22.6.2011 zu entscheiden. Dieser Beschluss ist aber durch den zwischenzeitlich erteilten Erbschein überholt - das Beschwerdeverfahren damit gegenstandslos geworden. Für die Beteiligte zu 1) besteht daher an einer Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens kein Interesse. Da die Gehörsrüge nicht zu einer Auswechslung der Parteirollen in dem fortzuführenden Beschwerdeverfahren führt, könnte die Beteiligte zu 1) als Beschwerdeführerin das Beschwerdeverfahren einseitig durch Rücknahme der Beschwerde beenden. Der Beteiligte zu 2) als Beschwerdegegner hätte hingegen nicht die Möglichkeit, im Rahmen des Beschwerdevefahrens eigene Anträge einzubringen. Er könnte daher - ungeachtet der Vorschrift des § 352 Abs. 3 FamFG - nicht die Einziehung des erteilten Erbscheins geltend machen.
Das bei erfolgreicher Gehörsrüge fortzuführende Beschwerdeverfahren könnte damit im für den Beteiligten zu 2) günstigsten Fall dazu führen, dass der S...