Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Übertragung des Sorgerechts auf die Kindesmutter bei unterschiedlicher nationaler Herkunft und befristeter Aufenthaltsgenehmigung des Vaters
Leitsatz (amtlich)
Allein die Tatsache, dass ein Elternteil nicht deutscher Herkunft ist, verwandtschaftliche Bindungen zu seinem Heimatland pflegt, hier nur über eine befristete Aufenthaltserlaubnis verfügt und mit der deutschen Sprache nur unzureichend vertraut ist, berechtigt nicht zu der Annahme, die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge entspräche dem Wohl des Kindes am besten.
Normenkette
BGB § 1671
Verfahrensgang
AG Berlin-Pankow/Weißensee (Aktenzeichen 16 F 5330/08) |
Tenor
Der Prozesskostenhilfeantrag der Beschwerdeführerin wird zurückgewiesen.
Gründe
Der Mutter wird für das Beschwerdeverfahren keine Prozesskostenhilfe bewilligt, weil ihre nach § 621e ZPO zulässige Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat, § 114 ZPO.
Mit zutreffenden Gründen hat das AG den Antrag der Mutter, ihr die alleinige elterliche Sorge für die am xx. Januar 2008 geborene A zu übertragen, zurückgewiesen, denn die Aufhebung der gemeinsamen Sorge der getrennt lebenden Eltern und die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter entspricht nicht dem Wohl des Kindes am besten, § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die Argumente der Beschwerde vermögen die überzeugende Begründung des amtsgerichtlichen Beschlusses nicht zu entkräften. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, weshalb die sprachliche Verständigung der Eltern nunmehr schwieriger sein soll als vor Abgabe der gemeinsamen Sorgerechtserklärung. Solange die Eltern miteinander befreundet waren, ist die Verständigung auch nicht an Sprachproblemen gescheitert. Es gibt auch keine Anhaltspunkte für eine konkrete Entführungsgefahr durch den Vater, der nunmehr eine Aufenthaltserlaubnis bis zum 21.1.2010 hat. Der Bericht des Jugendamts bescheinigt dem Vater vielmehr große und bisher erfolgreiche Integrationsbemühungen. Sie kann nicht allein daraus gefolgert werden, dass der Vater aus Angola stammt und dort verwandtschaftliche Bindungen hat. Eine Anerkennung dieser Argumentation wäre diskriminierend, denn sie würde dazu führen, dass jedem Elternteil nicht-deutscher Herkunft mit befristeter Aufenthaltsgenehmigung bzw. einer Duldung das Sorgerecht aberkannt werden müsste. Inwieweit die falsche Altersangabe des Vaters ggü. der Mutter das Verhältnis der Eltern grundlegend erschüttert haben soll, dass weder Kooperation noch Kommunikation bei gebotenen Bemühungen (§ 1627 BGB) möglich sein sollen, ist nicht nachvollziehbar. Soweit es in der Vergangenheit Probleme bei der Beschaffung einer Geburtsurkunde gegeben hat, sind diese inzwischen behoben, der Vater hat auch sein Einverständnis mit der Betreuung des Kindes durch eine Tagesmutter erklärt. Auch das Umgangsrecht ist durch elterliche Vereinbarung geregelt. Die Mutter kann nicht darauf verweisen, dass es schwierig sei, von dem Vater erforderliche Erklärungen zu erhalten, weil sie nicht mit ihm reden könne. Verständnisschwierigkeiten - seien sie sprachlicher, kultureller oder rechtlicher Natur - erfordern besondere Bemühungen der Mutter, sich mit dem Vater, dessen Abstammung aus einer anderen Kultur ihr von Anfang an bekannt war, ins Benehmen zu setzen. Sie sind kein Grund, den Vater aus seinem Sorgerecht, das zugleich auch eine Sorgepflicht bedeutet (§ 1626 Abs. 1 BGB) zu entlassen. Der Vater hat allerdings seinerseits dafür zu sorgen, dass Verständigungsprobleme minimiert werden, indem er die deutsche Sprache hinreichend erlernt.
Welche sonstigen anstehenden gemeinsamen Erklärungen die Mutter in der Beschwerdeschrift meint, hat sie weder ausgeführt noch dargelegt, dass sie den Vater vergeblich um derartige Erklärungen gebeten hat.
Fundstellen
Haufe-Index 2256959 |
FamRZ 2009, 1762 |