Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung ergänzender Klauseln bei der Bestimmung des Inhalts einer AGB-Klausel
Normenkette
ZPO § 890; UKlaG §§ 1, § 8 ff.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 12.09.2008; Aktenzeichen 4 O 476/08) |
Tenor
Der Antrag des Gläubigers auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes vom 28.7.2008 wird zurückgewiesen.
Der Gläubiger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird - für die Rechtsanwaltsgebühren - auf 1.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Gläubiger ist ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen gem. § 4 Abs. 1 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverein. Die Schuldnerin ist Stromlieferantin. Das LG Berlin verurteilte mit dem am 20.12.2006 verkündeten Urteil (26 O 142/06) die Schuldnerin, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, in Bezug auf Stromlieferungsverträge mit Verbrauchern, bei denen es sich um Sonderabnehmer i.S.v. § 310 Abs. 2 BGB handelt, unter anderen die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden und sich bei bestehenden Verträgen darauf zu berufen:
"3. Sollte, aufgrund dieser ungewöhnlichen Umstände, der Ihnen mitgeteilte voraussichtliche Liefertermin um mehr als sechs Monate überschritten werden, steht beiden Vertragspartnern das Recht zu, den Vertrag rückwirkend zu beenden."
Die Klausel sei gem. § 307 BGB unwirksam, weil unter Zugrundelegung einer kundenfeindlichen Auslegung auch von der Schuldnerin zu vertretende Verzögerungen darunter fielen; die Schuldnerin mache keine Einschränkung hinsichtlich der Umstände, auf denen die Verzögerung beruhe. Es bestehe kein sachlich gerechtfertigter Grund dafür, dass die Beklagte bei einer von ihr zu vertretenden Verzögerung von ihren wesentlichen Vertragspflichten frei werde. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung nahm die Schuldnerin zurück. Der Senat erklärte sie mit dem am 16.7.2007 verkündeten Anerkenntnisteil- und Kostenschlussurteil (23 U 13/07) ihres eingelegten Rechtsmittels für verlustig. Antragsgemäß verhängte das LG Berlin mit Beschluss vom 21.12.2007 gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld von 500 EUR wegen der Verwendung der auch im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Klausel.
Der Gläubiger hat beantragt, gegen die Antragsgegnerin ein empfindliches (zweites) Ordnungsgeld wegen Verstoßes gegen das Urteil des LG vom 20.12.2006 (26 O 142/06) festzusetzen.
Mit Beschluss vom 12.9.2008 hat das LG Berlin gegen die Schuldnerin ein (weiteres) Zwangsgeld von 1.000 EUR, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 250 EUR einen Tag Zwangshaft verhängt.
Gegen den ihr am 20.9.2008 zugestellten Beschluss hat die Schuldnerin am Montag, dem 6.10.2008 sofortige Beschwerde eingelegt.
Sie ist der Ansicht, das LG habe zu Unrecht nur auf den Wortlaut der verbotenen Klausel abgestellt und unberücksichtigt gelassen, dass sie mit der Modifizierung der Klausel den Vorgaben des Urteils entsprochen habe.
Die Schuldnerin beantragt, den Ordnungsgeldbeschluss aufzuheben.
Der Gläubiger beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II.1. Die gem. § 793 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere gem. § 569 ZPO frist- und formgerecht eingelegt. Die F. AG ist als Gesamtrechtsnachfolgerin der F. GmbH beschwerdeberechtigt.
2. Die Beschwerde hat auch Erfolg, weil das LG das Ordnungsgeld zu Unrecht verhängt hat. Gemäß § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist der Schuldner zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen, wenn er der Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen, zuwider handelt. Im vorliegenden Fall hat die Schuldnerin mit der Verwendung der Klausel
"Sollte, aufgrund dieser ungewöhnlichen Umstände, der Ihnen mitgeteilte voraussichtliche Liefertermin um mehr als sechs Monate überschritten werden, steht beiden Vertragspartnern das Recht zu, den Vertrag rückwirkend zu beenden"
in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Stand: 26.6.2008; Anlage Ast. 1) nicht der Verpflichtung aus dem am 20.12.2006 verkündeten Urteil des LG Berlin, diese oder eine inhaltsgleiche Klausel zu verwenden, zuwider gehandelt, weil sie der Klausel den Satz
"F. kann nur dann den Vertrag nicht rückwirkend beenden, wenn die Überschreitung des voraussichtlichen Liefertermins um mehr als sechs Monate auf von ihr zu vertretenden Umständen beruht"
angefügt hat.
Die Unterlassungsverpflichtung in dem genannten Urteil ergibt sich aus § 9 Nrn. 1 und 3 UKlaG, wonach die Urteilsformel sowohl die beanstandeten Bestimmungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Wortlaut als auch das Gebot, die Verwendung inhaltsgleicher Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu unterlassen, zu enthalten hat. Das Unterlassungsurteil gem. ...