Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die richterliche Urteilsunterschrift
Orientierungssatz
Orientierungssatz:
Zur Akzeptanz einer unleserlichen Unterschrift eines Berufsrichters unter einem Bußgeldurteil ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein großzügiger Maßstab anzuwenden und zwar auch wegen der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen. Von einer ordnungsgemäßen Urteilsunterschrift i.S.d. § 275 Abs. 2 S. 1 StPO ist bereits auszugehen, wenn jemand, der den Namen und die Unterschrift des erkennenden Richters kennt, diesen aus dem Schriftbild herauslesen kann. Dazu müssen zumindest einzelne Buchstaben erkennbar sein (Festhaltung KG Berlin, Beschlüsse vom 02. April 2019 - 3 Ws (B) 81/19 -, juris und vom 2. Februar 2016 - 3 Ws (B) 60/16 -, StRR 2016, Nr 3, 2)
Normenkette
OWiG § 71; StPO § 275 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 03.12.2019; Aktenzeichen 288 OWi 1078/19) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 3. Dezember 2019 wird nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Der Polizeipräsident von B. hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 32 km/h eine Geldbuße von 160 Euro, ein einmonatiges Fahrverbot und eine Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG verhängt. Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen nach wirksamer Beschränkung seines Einspruches auf den Rechtsfolgenausspruch wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 180,00 Euro verurteilt, nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ein einmonatiges Fahrverbot verhängt und nach § 25 Abs. 2 a StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen. Der Verteidiger hat mit einer ausgeführten Sachrüge Rechtsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt. Er rügt u.a. einen Verstoß gegen § 275 StPO wegen der unleserlichen Unterschrift der Richterin unter den Urteilsgründen, die einer fehlenden Unterschrift gleichzustellen sei, und die fehlende Auseinandersetzung mit einem Augenblicksversagen des Betroffenen.
II.
1. Der Rechtsbeschwerde des Betroffenen bleibt der Erfolg versagt.
a) Die Rüge der Verletzung des §§ 71 Abs. 1 OWiG, 275 Abs. 2 StPO, das Urteil sei durch die Richterin nicht ordnungsgemäß unterzeichnet worden, bleibt erfolglos.
Der vorliegende Schriftzug genügt entgegen der Rechtsauffassung des Betroffenen noch den gesetzlichen und insbesondere den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die ordnungsgemäße Unterschrift eines Richters unter die Urteilsgründe.
Nach § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO hat die erkennende Richterin das von ihm verfasste schriftliche Urteil zu unterschreiben. Weitere Anforderungen an das Schriftbild der Unterschrift sieht das Gesetz nicht vor. Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich demnach aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift. Mit der Unterschrift beurkundet der Berufsrichter die Übereinstimmung der Urteilsgründe mit dem Beratungsergebnis (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 61. Aufl., § 275 Rn. 19). Entsprechend diesem Normzweck kommt es maßgeblich darauf an, dass der Unterschrift auch die Urheberschaft zu entnehmen ist. Auch wenn die Unterschrift, die aus dem Familiennamen des Unterzeichnenden zu bestehen hat, nicht lesbar sein muss, so muss sie ihren Urheber erkennen lassen. Steht dies - wie im vorliegenden Fall - außer Frage, ist zur Akzeptanz der unleserlichen Unterschrift ein großzügiger Maßstab - so der BGH (vgl. BGH NJW 1997, 3380, 3381; ebenso BGH NJW 2000, 607) - anzuwenden und zwar auch wegen der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen. So ist es ausreichend, dass jemand, der den Namen des Unterzeichnenden und dessen Unterschrift kennt, den Namen aus dem Schriftbild herauslesen kann (ständige Rspr. des Senats vgl. Beschlüsse vom 2. April 2019 - 3 Ws (B) 81/19 -, 2. Februar 2016 - 3 Ws (B) 60/16 jeweils juris m.w.N.; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschlüsse vom 27. Dezember 2019 - (1 B) 53 Ss-OWi 675/19 (398/19) -, 16. Februar 2019 - (1 B) 53 Ss-OWi 608/18 (320/18) -, beide juris; OLG Köln, Beschluss vom 19. Juli 2011 - III-1 RVs 166/11 -, Rn. 6, juris m.w.N.; OLG Düsseldorf JMinBl. NW 2002, 54 [55]). Das setzt allerdings voraus, dass mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen sind, weil es sonst am Merkmal einer Schrift überhaupt fehlt (BGH NJW 1985, 1227; Senat aaO, OLG Köln aaO; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Einleitung Rdnr. 129 bezogen auf die Unterschrift eines Rechtsanwaltes bei bestimmenden Schriftsätzen m. w. N.). Diese Grenze individueller Charakteristik ist insbesondere bei der Verwendung bloßer geometrischer Formen oder einfacher (gerader oder nahezu gerader) Linien eindeutig überschritten (Senat aaO, BayObLG NStZ-RR 2003, 305).
Unter Zugrundelegung des von der höchstrichterlich...