Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 29.01.2003; Aktenzeichen 546 StVK 598/02 Vollz) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Gefangenen wird der Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 29. Januar 2003 mit Ausnahme der Ablehnung der Prozesskostenhilfe (Nr. 2 der Beschlussformel) und der Streitwertfestsetzung (Nr. 4) aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die Entnahme dreier Aktenordner des Gefangenen mit Verteidigerpost, Abgeordnetenpost und Verteidigungsunterlagen für ein Wiederaufnahmeverfahren aus dem Haftraum anlässlich einer Haftraumdurchsuchung am 23. August 2002 rechtswidrig war.
Die Landeskasse Berlin hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Gefangenen in diesem Rechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Der Beschwerdeführer verbüßt in der Justizvollzugsanstalt Tegel bis voraussichtlich zum Jahre 2016 Freiheitsstrafen. Bei einer Durchsuchung seines Haftraums am 23. August 2002 wurden etwa 500 Blatt leeres Kopierpapier sowie in mehreren ihm gehörenden Aktenordnern verschiedene Fotokopien und in einem Ordner mit der Aufschrift "Anstalt" ein kopiertes, vollständiges Telefonverzeichnis der Justizvollzugsanstalt Tegel aufgefunden. Daraufhin wurden drei Aktenordner mit dem aus dem Entscheidungssatz ersichtlichen Inhalt, die entsprechend beschriftet waren, zur "Einsichtnahme und Kontrolle des Inhalts" vorübergehend aus dem Haftraum entfernt.
Nach Überprüfung daraufhin, "ob ein ordnungswidriges Verhalten des Antragstellers oder ein sonstiger Pflichtverstoß in Erwägung zu ziehen war", wurden die Ordner dem Gefangenen am selben Tage zurückgegeben. Von der Rückgabe ausgenommen war lediglich das aufgefundene Telefonverzeichnis.
Der Gefangene hat beantragt festzustellen, dass die Entnahme seiner Aktenordner aus dem Haftraum rechtswidrig war.
Die Strafvollstreckungskammer hat den Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Ordner hatten zwecks Durchsicht und Kontrolle daraufhin, ob sich darin etwas befinde, das die Sicherheit und Ordnung gefährden oder der Vorbereitung von Angriffen oder Flucht dienen könnte, in der dafür benötigten Zeit aus dem Haftraum entfernt werden dürfen. Da der Gefangene kein Recht auf Anwesenheit bei einer Haftraumdurchsuchung habe, wäre es "bloße Förmelei", wollte man eine kurzfristige Entfernung der Ordner aus dem Haftraum zwecks genauerer Untersuchung verbieten, sofern diese nach ermessensfehlerfreier Entscheidung der Anstaltsleitung im Einzelfall aus Gründen der Zweckmäßigkeit geboten erscheine. Eine Überschreitung dieses Rahmens sei vorliegend nicht ersichtlich. dass die Ordner auch Unterlagen wie Verteidiger- und Abgeordnetenpost enthielten, die nicht der Postüberwachung und Sicherstellung unterlägen, mache die kurzfristige Entnahme "nicht per se unzulässig". Angesichts der Gefährlichkeit des Gefangenen hätten sämtliche Ordner "zumindest" oberflächlich durchgesehen werden dürfen. Es sei im übrigen nicht ersichtlich, dass die Entnahme vorliegend über die für die Durchsicht benötigte Zeit hinaus erfolgt sei, da die Unterlagen am selber Tage zurückgegeben worden seien. dass im Rahmen der kurzfristigen Entnahme der Ordner auch eine - "gegebenenfalls unzulässige" - inhaltliche Kontrolle von Verteidiger- oder Abgeordnetenpost erfolgt sei, habe der Gefangene nicht geltend gemacht.
Die Rechtsbeschwerde des Gefangenen, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt, ohne dazwischen näher zu unterscheiden, hat mit der Sachrüge Erfolg.
I.
Die Verfahrensrüge - insoweit könnte allenfalls eine vereinzelte Beanstandung als Erhebung der Aufklärungsrüge verstanden werden (Seite 9, zweiter Absatz der Rechtsbeschwerdeschrift) -ist unzulässig, weil sie nicht gemäß § 118 Abs. 2 Satz 2 StVollzG ausgeführt ist. Die in diesem Zusammenhang angebrachten Ausführungen der Rechtsbeschwerde gehen überdies fehl, soweit der Gefangene meint, die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer beruhe auf deren falscher Annahme, es sei nicht zu Erkennen gewesen, worum es sich bei den entnommenen Ordnern gehandelt habe. Vielmehr hat das Landgericht seine Ansicht geäußert, dass auch Ordner mit nicht der Postüberwachung unterfallenden Unterlagen (zumindest) oberflächlich daraufhin hätten durchgesehen werden dürfen, ob sie eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung bergen oder etwa konkrete Fluchtpläne enthalten.
II.
Hinsichtlich der Sachrüge erfüllt die Rechtsbeschwerde die besonderen Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG, weil es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.
1.
Die Frage, ob dem Gefangenen gehörende schriftliche Unterlagen - wie die vorliegend in Rede stehenden Aktenordner - im Rahmen einer Haftraumkontrolle nach § 84 Abs. 1 StVollzG aus dem Haftraum entfernt werden dürfen, um sie in Abwesenheit des Gefangenen zu durchsuchen, ist - soweit ersichtlich - von der obergerichtlichen Rechtsprechung n...