Leitsatz (amtlich)

1. Der Wert der vom Käufer gezogenen Nutzungen ist auch im Fall der Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs nach der Formel

Kaufpreis × gefahrene Km = Nutzungswert Restlaufleistung

zu bemessen, und damit ausgehend vom konkret vereinbarten Kaufpreis (einschließlich MWSt.).

Auch beim Kauf eines sog. "jungen" Gebrauchtwagens mit geringer Laufleistung zu einem erheblich unter dem Neupreis liegenden Preis ist nicht auf einen evtl. höheren Verkehrswert, sondern den konkreten Altwagenpreis abzustellen.

2. Auf den Anspruch des Verkäufers auf Wertersatz für die gezogenen Nutzungen nach § 346 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB ist keine Mehrwertsteuer aufzuschlagen (entgegen Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., Rz. 1179).

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 15.02.2012; Aktenzeichen 10 O 363/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 15.2.2012 verkündete Urteil der Zivilkammer 10 des LG Berlin -10 O 363/11 - dahin abgeändert, dass die Beklagte über die Feststellung hinaus verurteilt wird, an den Kläger 5.904,49 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.8.2011 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgewähr des Pkw Mercedes-Benz C 200 mit dem amtlichen Kennzeichen B-...und der Fahrgestellnummer W ...

Die weiter gehende Zahlungsklage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Beklagte 68 % und der Kläger 32 % zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagte 81 % und der Kläger 19 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.

Dem Kläger steht unter Berücksichtigung der beiderseitigen Ansprüche aus § 346 BGB gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 5.904,49 EUR zu.

I. Der Kläger berechnet in der Berufungsinstanz seine Forderung wie folgt:

Rückzahlungsanspruch gem. §§ 357 Abs. 1,

346 Abs. 1 BGB von 20.910,61 EUR

(16.815,20 EUR gemäß rechtskräftiger Feststellung

des LG; ferner gezahlte Darlehensraten

für 7/2011 bis 5/2012, 11 × 372,31 EUR = 4.095,41 EUR) abzgl.

Nutzungsersatz

(34.300 EUR/250.000 km × 84.000 km) 11.524,80 EUR

Wertersatz wegen Verschlechterung 2.110 EUR

7.275,81 EUR.

Der Kläger hat im Zuge der zulässig eingelegten Berufung, mit der er eine Beschwer von über 600 EUR geltend gemacht hat (16.815,20 EUR./. 11.524,80 EUR./. 2.110 EUR = 3.180,40 EUR), die Klageforderung in zulässiger Weise um die weiter gezahlten Raten von 4.095,41 EUR erweitert (§ 264 Nr. 2 ZPO).

Die Zahlungsforderung des Klägers ist auch unstreitig.

II. Es bestehen folgende Forderungen der Beklagten aus dem Rückabwicklungsverhältnis gem. §§ 346 ff. BGB, die gegen den Zahlungsanspruch des Klägers aufzurechnen (so BGHZ 115, 47 = NJW 1991, 2484, 2486) bzw. mit ihm zu saldieren sind (so BGH NJW 2008, 2028, 2029 Tz 9, 23; NJW 1994, 1790). Welcher Auffassung der Vorzug zu geben ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

1) Wertersatz für gezogene Nutzungen (§ 346 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1 BGB):

a) Bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein (auch gebrauchtes) Fahrzeug erfolgt der Ersatz der gezogenen Nutzungen nach ganz herrschender Meinung nach der Formel

Kaufpreis × gefahrene Km = Nutzungswert Restlaufleistung

(s. BGH NJW 1995, 2159, 2161 unter III. 2.; BGHZ 115, 47 = NJW 1991, 2484, 2485 f.; BGHZ 159, 215 = NJW 2004, 2299, 2301; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., Rz. 1166).

Diese Formel zur (linearen) Ermittlung des Wertes der zeitanteiligen Benutzung ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch vorliegend anzuwenden. Eine Sonderbehandlung bei Verkauf eines "jungen" gebrauchten Fahrzeugs mit geringer Fahrleistung zu einem erheblich unter dem Neupreis liegenden Preis (vorliegend: Vorführwagen mit 8.470 km 25 % unter Listenpreis) ist nicht anzuerkennen. Den tatsächlich vereinbarten Kaufpreis zugrunde zu legen, entspricht der Interessenlage der Parteien, da darin der Wert der für den Käufer erreichbaren Gebrauchsmöglichkeit zum Ausdruck kommt und vor allem, weil der Verkäufer über den Kaufpreis hinaus keine weiteren Vermögensvorteile zu erwarten hat (vgl. BGHZ 115, 47 = NJW 1991, 2484, 2485). Dementsprechend hat der BGH in der Entscheidung NJW 1995, 2159 ausdrücklich ausgesprochen, dass bei gebrauchten Fahrzeugen der "konkrete Altwagenpreis" zugrunde zu legen ist. Der Vorteil eines günstigen Kaufs kann dem Käufer nicht durch eine "objektivierte", vom Kaufpreis gelöste Bewertung des Nutzungswerts genommen werden. Ein solcher Ansatz könnte sogar dazu führen, dass dem Verkäufer im Zuge der Rückabwicklung (bei Nutzung des Käufers im vollem Umfang der üblichen Gesamtlaufleistung) ein höherer Betrag als der vereinbarte Kaufpreis zufließt, was nicht gerechtfertigt ist. Zutreffend ist daher, den vereinbarten Preis und nicht den Verkehrswert anzusetzen (insoweit auch Reinking/Eggert, a.a.O., Rz. 3565), zumal klare und vorhersehbare Kriterien dafür, wann ein "Ausnahmefall" vorliegt, der zur Berechnung nach einem anderen Wert ...

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