Leitsatz (amtlich)

1. Die Belehrung gem. § 19 Abs. 5 VVG im Antragsformular des Versicherers genügt den formalen Anforderungen an eine "gesonderte Mitteilung", wenn sie in den der Unterschrift nachfolgenden zweiseitigen "Erklärungen des Antragstellers und der zu versichernden Personen" durch Einrahmung hervorgehoben wird und wenn auf diese Belehrung sowohl vor den Gesundheitsfragen als auch vor den Schlusserklärungen und Unterschriften jeweils durch fett gedruckte Kurzhinweise verwiesen wird.

2. Der Wirksamkeit der Belehrung steht nicht entgegen, dass bei der Darstellung der Rechtsfolgen zur Vertragsanpassung nicht ausdrücklich der Hinweis enthalten ist, dass kein Versicherungsschutz für einen bereits eingetretenen Versicherungsfall besteht, wenn durch Vertragsanpassung rückwirkend ein Risikoausschluss Vertragsbestandteil wird, der ein Risiko betrifft, das sich in dem eingetretenen Versicherungsfall realisiert hat; denn diese Konsequenz ergibt sich auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer aus dem erteilten Hinweis auf die Möglichkeit der rückwirkenden Anpassung und der Möglichkeit des Ausschlusses der Gefahrabsicherung für einen nicht angezeigten Umstand.

3. Von einem Zugang der Belehrung in Textform kann nicht ausgegangen werden, wenn der Versicherungsvertreter seinem Kunden vor der Beantwortung der von ihm aus seinem Laptop vorgelesenen Gesundheitsfragen lediglich die Gelegenheit gibt, das vielseitige Antragsformular in seinem Laptop zu lesen. In einem solchen Fall ist weder die Informationsfunktion noch die Dokumentationsfunktion der Textform gewahrt.

4. Gesundheitsfragen sind bei mündlicher Befragung durch den Versicherungsvertreter und der Aufnahme der Antworten in dessen Laptop allenfalls dann in Textform gem. § 19 Abs. 1 VVG gestellt, wenn die Fragen in einer Art und Weise mit dem Versicherungsnehmer durchgegangen worden sind, die einer sorgsamen, nicht unter Zeitdruck stehenden und gegebenenfalls durch klärende Rückfragen ergänzten Lektüre gleichsteht, der Versicherungsvertreter dem Versicherungsnehmer die Fragen also zu "eigenverantwortlicher (mündlicher) Beantwortung" vorgelesen hat (vgl. BGH zu § 16 Abs. 1 S. 3 VVG a.F.: Urt. v. 11.7.1990 - IVa ZR 156/89, Rz. 18-21, 24, VersR 1990, 1002; Urt. v. 13.3.1991 - IV ZR 218/90 Rz. 15 -17, VersR 1991, 575; Urt. v. 24.11.2010 - IV ZR 252/08 Rz. 25 f., VersR 2011, 338) und wenn dem Versicherungsnehmer die Fragen vor der Unterzeichnung des Antrags in dauerhaft lesbarer Form zur Verfügung gestellt worden sind.

 

Normenkette

VVG § 19 Abs. 1, 5

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 29.11.2013; Aktenzeichen 23 O 337/12)

 

Tenor

1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Beklagten vom 20.12.2013 gegen das am 29.11.2013 verkündete Urteil der Zivilkammer 23 des LG Berlin gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil der Senat nach Vorberatung der Auffassung ist, dass dem Rechtsmittel im Ergebnis keine Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zukommt.

Das LG hat in dem angefochtenen Urteil durch Aufrechterhaltung des gegen den Beklagten ergangenen Versäumnisurteils festgestellt, dass das Krankheitskostenversicherungsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Rücktrittserklärungen des Beklagten beendet wurde, sondern fortbesteht. Die Rücktrittserklärungen seien gem. § 19 Abs. 5 S. 1 VVG unwirksam, weil der Beklagte den Kläger nicht ordnungsgemäß über alle Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung belehrt habe, wozu die Belehrung über die Leistungsfreiheit für bereits eingetretene Versicherungsfälle auch im Falle einer Vertragsänderung gem. § 19 Abs. 4 VVG - wie etwa bei rückwirkender Einführung eines Leistungsausschlusses - gehöre. Dieses Belehrungserfordernis entfalle auch nicht bei Arglist, so dass offen bleiben könne, ob der Kläger anzeigepflichtige Behandlungen arglistig verschwiegen habe.

 

Gründe

Nachdem der BGH mit Urt. v. 12.3.2014 - IV ZR 306/13 (VersR 2014, 565 - 567) die Frage, ob sich der arglistige Versicherungsnehmer im Rahmen des Rücktritts des Versicherers auf eine fehlende oder unzureichende Belehrung gem. § 19 Abs. 5 VVG berufen kann, verneint hat, kann die Entscheidung zwar nicht mehr mit der vom LG gegebenen Begründung aufrechterhalten werden. Der Senat folgt zwar auch der Auffassung des LG zur Unwirksamkeit der Belehrung nicht (1). Des Weiteren liegt auch kein Fall vor, der wegen Arglist des Versicherungsnehmers die Prüfung der weiteren Voraussetzungen des Rücktrittsrechts gem. § 19 VVG wegen Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht entbehrlich machen könnte (2). Diese weiteren Voraussetzungen sind nicht gegeben, so dass der Rücktritt im Ergebnis nicht wirksam war (3).

(1) Gemäß § 19 Abs. 5 S. 1 VVG stehen dem Versicherer die Rechte aus einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht nach den Abs. 2 bis 4 nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. ...

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