Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 16.03.2006) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 16. März 2006 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Saarbrücken hat den Beschwerdeführer durch Strafbefehl vom 16. Mai 2002, rechtskräftig seit dem 1. Juni 2002, wegen Konkursverschleppung und wegen Beitragsvorenthaltung in 76 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Landgericht Berlin - Strafvollstreckungskammer - die Strafaussetzung widerrufen, da der Verurteilte während des Laufes der Bewährungszeit erneut straffällig geworden ist: Das Landgericht Berlin verurteilte ihn am 19. Januar 2005, rechtskräftig seit dem 13. Oktober 2005, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tatzeitraum: Juli 2003) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist zulässig (§§ 453 Abs. 2 Satz 3, 311 Abs. 2 StPO), hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1.
Das Landgericht Berlin - Strafvollstreckungskammer - war für die angefochtene Entscheidung gemäß § 462 a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 453 Abs. 1 StPO sachlich und örtlich zuständig. Zwar befand sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr in Berlin in Strafhaft; denn er war am 26. Januar 2006 von der Justizvollzugsanstalt Moabit in die Justizvollzugsanstalt Saarbrücken verlegt worden. Jedoch war die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin schon zu einem Zeitpunkt mit der Sache befaßt (§ 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO), als der Verurteilte in der Justizvollzugsanstalt Moabit Strafhaft - der Vollzug von Untersuchungshaft genügt insoweit nicht (vgl. Fischer in Karlsruher Kommentar, StPO 5. Aufl., § 462 a Rdn. 9) - verbüßte.
Die Untersuchungshaft ging mit Eintritt der Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils - am 13. Oktober 2005 - in Strafhaft über. Bei Entscheidungen aber, die von Amts wegen zu treffen sind - wie vorliegend über den Widerruf der Strafaussetzung -, wird die Strafvollstreckungskammer schon dann mit der Sache befaßt, wenn Tatsachen aktenkundig werden, die den Widerruf rechtfertigen können. Schon deren Eingang bei einem Gericht, dessen Zuständigkeit für die Entscheidung gegeben sein kann, reicht aus (vgl. BGH NStZ 2000, 391; bei Kusch NStZ-RR 2000, 296; NStZ 1997, 406; KG, Beschlüsse vom 15. Juni 2006 - 5 Ws 81/06 - und 22. August 2002 - 5 Ws 385/02 -). Tatsachen, die den Widerruf rechtfertigen konnten, wurden vorliegend aber bereits am 29. Juli 2005 aktenkundig. Denn an diesem Tag ging die Mitteilung der Staatsanwaltschaft Saarbrücken von der (damals noch nicht rechtskräftigen) Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landgericht Berlin bei dem Amtsgericht Saarbrücken ein, das zu dieser Zeit für die Entscheidung über den Widerruf zuständig war. Daß die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt noch keinen Widerrufsantrag stellte, ist insoweit unerheblich.
Die damit vorliegende Befassung des seit Beginn der Strafhaft nicht mehr zuständigen Amtsgerichts Saarbrücken aber begründet die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Strafvollstrekkungskammer des Landgerichts Berlin, in deren Bezirk der Beschwerdeführer zunächst Strafhaft verbüßte (vgl. BGH NStZ 2000, 391). Die einmal begründete Zuständigkeit dieser Strafvollstreckungskammer wurde durch die Verlegung des Beschwerdeführers in die Justizvollzugsanstalt Saarbrücken am 26. Januar 2006 nicht beseitigt (vgl. BGH NStZ 2000, 391; bei Kusch NStZ-RR 2000, 296); das Befaßtsein endet vielmehr erst mit der abschließenden Entscheidung in der Sache oder deren Erledigung auf andere Weise (vgl. Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl., § 462 a Rdn. 12 mit weiteren Nachweisen).
2.
Das Landgericht Berlin hat die Strafaussetzung wegen der in der Bewährungszeit begangenen neuen Straftat zu Recht widerrufen (§ 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB). Der Beschwerdeführer hat durch sein Verhalten deutlich gezeigt, daß sich die der Strafaussetzung zugrundeliegende Erwartung, er werde sich gesetzestreu verhalten, nicht erfüllt hat. Denn er hat bereits etwa ein Jahr nach Verurteilung durch das Amtsgericht Saarbrücken erneut eine schwere Straftat - ein Verbrechen nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG - begangen, die vom Landgericht Berlin mit einer Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten geahndet werden mußte. Es handelt sich auch nicht um eine spontan begangene Ausnahme- oder Gelegenheitstat, sondern um eine geplante Vorgehensweise, die sich über einen Zeitraum von mehreren Wochen erstreckte und eine erhebliche kriminelle Energie erkennen läßt. Ein derart schwerwiegendes Versagen während der Bewährungszeit rechtfertigt den Widerruf der Strafaussetzung auch dann, wenn zwischen den früheren Straftaten und der neuen Tat keine kriminologische Vergleic...