Entscheidungsstichwort (Thema)
Untätigkeitsbeschwerde im Umgangsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei überlanger Verfahrensdauer ist ungeachtet einer fehlenden gesetzlichen Regelung der Rechtsbehelf der Untätigkeitsbeschwerde gegeben.
2. Eine Verfahrensdauer von 14 Monaten in erster Instanz kann für den Antragsteller die Verweigerung des Rechtsschutzes darstellen, wenn sie zu einem faktischen Ausschluss des Umgangsrechts führt.
Normenkette
GG Art. 20 Abs. 3; EMRK Art. 13
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Aktenzeichen 171 F 7906/06) |
Tenor
Das AG wird angewiesen, unverzüglich eine das Verfahren ernsthaft fördernde Maßnahme zu treffen.
Gründe
Die vom Vater erhobene Untätigkeitsbeschwerde ist zulässig und begründet.
Zwar ist eine spezielle Regelung für eine Untätigkeitsbeschwerde gegenüber Gerichten noch nicht in Gesetzesform erfolgt, der entsprechende Entwurf vom 18.9.2005 ist noch nicht verabschiedet worden. Trotzdem geht der Senat mit der überwiegenden neueren Rechtsprechung (vgl. OLG Karlsruhe - 2 WF 32/07 - bei juris; OLG Frankfurt, NJW 2007, 852; KG, FamRZ 2005, 729; weitere Nachweise bei Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 567 Rz. 21) davon aus, dass den Rechtssuchenden bereits jetzt bei überlanger Verfahrensdauer ein derartiger Rechtsbehelf zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 13 EMRK (vgl. hierzu EGMR, Urt. v. 8.6.2006, NJW 2006, 2389) und gegen Art. 19 Abs. 4 GG zur Verfügung gestellt werden muss.
Vorliegend ist insbesondere in Anbetracht des Umstandes, dass es sich um ein Umgangsregelungsverfahren handelt, das naturgemäß einer beschleunigten Bearbeitung bedarf, eine überlange und für den Kindesvater unzumutbare Verfahrensdauer festzustellen. Seit dem Antrag des Vaters vom 24.3.2006 auf Umgangsregelung und Auskunftserteilung ist mehr als ein Jahr vergangen, ohne dass eine Entscheidung in der Sache oder jedenfalls eine ernsthaft verfahrensfördernde Maßnahme, die eine längere Verfahrensdauer rechtfertigen könnte (z.B. Einholung eines Sachverständigengutachtens) getroffen wurde. Es hat lediglich - mehr als acht Monate (!) nach der Eingangsverfügung des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 19.5.2006 - am 2.2.2007 ein gerichtlicher Anhörungstermin stattgefunden, wobei offenbar nur die Mutter, nicht aber das Kind angehört wurde. Auch auf die nachfolgenden Ersuchen des Vaters vom 4.5.2007 und 13.6.2007, über seine Anträge zeitnah zu entscheiden, hat das AG keine Entscheidung getroffen bzw. eine konkret verfahrensfördernde Maßnahme angeordnet. Diese Form der Verfahrensführung stellt für den Kindesvater eine Rechtsschutzverweigerung, die zu einem faktischen Ausschluss des Umgangsrechts führt, dar.
Ziel einer Untätigkeitsbeschwerde ist die Anweisung an die Vorinstanz, dem Verfahren Fortgang zu geben (vgl. Zöller, a.a.O. Rz. 21a). Weder ist der Senat befugt, eine eigene Sachentscheidung zu treffen noch darf dem AG eine bestimmte Maßnahme vorgeschrieben werden, denn hierüber entscheidet der Abteilungsrichter in richterlicher Unabhängigkeit, Der Senat hat das AG daher angewiesen, unverzüglich eine das Verfahren ernsthaft fördernde Maßnahme zu treffen. Er weist darauf hin, dass er keinen Hinderungsgrund sieht, beispielsweise nun binnen zwei Monaten einen Anhörungstermin durchzuführen, in welchem ... und ihre Eltern angehört würden und gegebenenfalls bereits dem aus den Vereinigten Staaten anreisenden Vater die Gelegenheit gegeben werden könnte, mit ... zusammen zu treffen.
Fundstellen
Haufe-Index 1801168 |
FamRZ 2007, 2091 |
FuR 2007, 533 |
NJW-RR 2008, 598 |
MDR 2008, 228 |
FamRB 2007, 328 |
NJW-Spezial 2008, 38 |
ZFE 2007, 442 |
ZKJ 2008, 44 |
JAmt 2008, 229 |
OLGR-Ost 2007, 1051 |