Leitsatz

In einem Umgangsregelungsverfahren hatte das FamG erst über acht Monate nach Eingang des Antrages des Vaters einen Anhörungstermin durchgeführt und in den darauf folgenden sechs Monaten weder eine Entscheidung in der Sache noch eine das Verfahren ernsthaft fördernde Maßnahme getroffen.

Daraufhin erhob der Kindesvater Untätigkeitsbeschwerde, über die das Kammergericht zu entscheiden hatte. Kernproblem des Falles war die Frage, ob bei überlanger Verfahrensdauer die Möglichkeit der Anrufung der nächsten Instanz in Betracht kommt oder auf die Dienstaufsichtsbeschwerde zu verweisen ist.

 

Sachverhalt

Der Vater eines minderjährigen Kindes hatte mit Antrag vom 24.3.2006 eine Umgangsregelung und Auskunftserteilung begehrt. Mehr als acht Monate nach der Eingangsverfügung des AG vom 19.5.2006 fand am 2.2.2007 ein gerichtlicher Anhörungstermin statt, in dem nur die Kindesmutter, nicht aber das Kind angehört wurde. Auch über die nachfolgenden Ersuchen des Vaters vom 4.5.2007 und 13.6.2007, über seine Anträge zeitnah zu entscheiden, hat das AG keine Entscheidung getroffen und auch keine konkret verfahrensfördernde Maßnahme angeordnet.

Daraufhin erhob der Kindesvater Untätigkeitsbeschwerde und wandte sich hiermit an das KG.

Sein Begehren war erfolgreich.

 

Entscheidung

Das KG vertrat die Auffassung, dass dem Rechtssuchenden bereits vor einer ausdrücklichen Kodifikation der Untätigkeitsbeschwerde bei überlanger Verfahrensdauer ein Rechtsbehelf zur Verfügung gestellt werden müsse, obgleich die Untätigkeitsbeschwerde noch nicht in den Katalog der Rechtsmittel nach §§ 511 ff. ZPO aufgenommen sei. Insoweit ging das KG mit der überwiegenden neueren Rechtsprechung davon aus, dass ein Rechtsbehelf schon zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 13 EMRK und gegen Art. 19 Abs. 4 GG zur Verfügung gestellt werden müsse (vgl. insoweit auch OLG Bamberg v. 20.2.2003 - 7 WF 35/03, FamRZ 2003, 1310; OLG Karlsruhe v. 24.7.2003 - 16 WF 50/03, OLGReport Karlsruhe 2004, 31 = FamRZ 2004, 53; KG v. 22.10.2004 - 18 WF 156/04, KGReport Berlin 2005, 22 = FamRZ 2005, 729; OLG Frankfurt v. 15.12.2006 - 1 W 58/06, OLGReport Frankfurt 2007, 373 = NJW 2007, 852; s. auch BVerfG v. 11.12.2000 - 1 BvR 661/00, FamRZ 2001, 753 gegen OLG Dresden v. 16.2.2000 - 10 WF 711/99, FamRZ 2000, 1422).

Darin, dass das erstinstanzliche Gericht erst über acht Monate nach Eingang des Antrages auf Umgangsregelung einen Anhörungstermin anberaumt und auch in den darauf folgenden sechs Monaten weder eine Entscheidung in der Sache noch weitere den Prozess fördernde Verfügungen getroffen hatte, sah das KG eine Rechtsschutzverweigerung für den Antragsteller, die zu einem faktischen Ausschluss seines Umgangsrechts führe. Das KG hat in seiner Entscheidung über die Untätigkeitsbeschwerde das AG angewiesen, unverzüglich eine das Verfahren ernsthaft fördernde Maßnahme zu treffen. Wegen der richterlichen Unabhängigkeit sei dies Aufgabe des bei dem AG zuständigen Richters. Zu einer Entscheidung in der Sache selbst sah sich das KG nicht befugt.

 

Hinweis

Mit der geplanten Reform des familiengerichtlichen Verfahrens wird voraussichtlich der Gesetzgeber der besonderen Eilbedürftigkeit von Verfahren Rechnung tragen, die den Kindesumgang betreffen.

Ebenso wie die Verfahren hinsichtlich des Aufenthalts und der Herausgabe des Kindes oder wegen Gefährdung des Kindeswohls sollen die den Kindesumgang betreffenden Verfahren vorrangig und beschleunigt durchgeführt werden. Der obligatorische Erörterungstermin soll danach spätestens einen Monat nach Einleitung des Verfahrens stattfinden.

Es bleibt zu wünschen, dass eine Novellierung des FGG zu einer tatsächlichen Beschleunigung der den Kindesumgang betreffenden Verfahren führt, um dem anderenfalls tatsächlich stattfindenden faktischen Ausschluss des Umgangsrechts vorzubeugen.

 

Link zur Entscheidung

KG Berlin, Beschluss vom 23.08.2007, 16 WF 172/07

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