Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Titel noch im Streit, entspricht der Wert des Verfahrens auf Aufhebung einer einstweiligen Verfügung i.d.R. dem des einstweiligen Verfügungsverfahrens (Erkenntnisverfahren).
2. Dies gilt auch für das Aufhebungsverfahren nach § 926 Abs. 2 ZPO.
3. Der Titel ist grundsätzlich nicht schon allein deshalb außer Streit, weil die Frist zur Erhebung der Hauptsachenklage nach § 926 Abs. 1 ZPO abgelaufen ist oder eine Verjährung in Betracht kommen könnte.
Normenkette
ZPO §§ 3, 926 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 16.07.2002; Aktenzeichen 102 O 90/01) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im Aufhebungsverfahren wird der Streitwertbeschluss der Kammer für Handelssachen 102 des LG Berlin vom 16.7.2002 abgeändert.
Der Wert des Aufhebungsverfahrens wird auf 25.564,59 Euro festgesetzt.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die gem. § 25 Abs. 3 GKG statthafte und nach § 9 Abs. 2 BRAGO zulässig im eigenen Namen eingelegte Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im Aufhebungsverfahren (Antragsgegnerin im Verfügungsverfahren) ist begründet, § 3 ZPO. Der Wert des Aufhebungsverfahrens nach § 926 Abs. 2 ZPO beträgt 25.564,59 Euro.
1. Grundsätzlich ist für das Aufhebungsverfahren der Wert festzusetzen, den der aufzuhebende Titel bei Einreichung der Aufhebungsklage noch hat. Ist der Titel noch im Streit, entspricht der Wert i.d.R. dem des einstweiligen Verfügungsverfahrens. Wenn aber lediglich über den formalen Fortbestand des Titels entschieden wird, ist eine geringere Festsetzung gerechtfertigt (OLG Frankfurt, JurBüro 1969, 343; OLG Bamberg JurBüro 1974, 1150; KG, Beschl. v. 21.9.2001 – 5 W 40/01, KGReport Berlin 2002, 249 m.w.N.; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 3 Rz. 16 – Einstweilige Verfügung).
Eine Entscheidung lediglich über den formalen Fortbestand des Titels ist gegeben, wenn der Titel nach übereinstimmender Auffassung der Parteien durch die Entwicklung der Rüge gegenstandslos geworden ist, etwa weil ein Unterlassungsgebot durch Zeitablauf gegenstandslos geworden ist oder weil sich die Parteien mittlerweile außergerichtlich geeinigt haben (OLG München Rpfleger 1963, 388; OLG Frankfurt JurBüro 1969, 343; OLG Bamberg JurBüro 1974, 1150; Egon Schneider, JurBüro 1977, 1509 [1516]). Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung entscheidend, § 15 GKG, § 4 ZPO.
2. Die auf den tatsächlichen Streit abstellenden Grundsätze sind zwar maßgeblich für Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO entwickelt worden, sie gelten aber entsprechend für Aufhebungsverfahren nach § 926 Abs. 2 ZPO (vgl. OLG Hamburg, WRP 1977, 814). Auch wenn die Frist zur Erhebung der Hauptklage nach § 926 Abs. 1 ZPO bei der Stellung des Aufhebungsantrags nach § 926 Abs. 2 ZPO aus der Sicht des Antragstellers im Aufhebungsverfahren abgelaufen ist, muss ein Streit um den Fortbestand des Titels damit nicht notwendig entfallen sein. Zum einen soll die Hauptklageerhebung noch nach Fristablauf bis zur Entscheidung über den Aufhebungsantrag nachholbar sein (OLG Köln OLGZ 1979, 119; OLG Frankfurt GRUR 1987, 651; v. 21.9.1989 – 6 U 74/89, NJW-RR 1990, 190; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 927 Rz. 33). Zum anderen kann der Streit gerade über eine fristwahrende Hauptklageerhebung im Aufhebungsverfahren entstehen (vgl. OLG Hamm OLGZ 1989, 323; OLG Celle v. 26.11.1997 – 13 U 202/97, OLGReport Celle 1998, 156; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 927 Rz. 32 m.w.N.), der Antragsteller im Verfügungsverfahren also im vollem Umfang an dem Verfügungstitel festhalten wollen.
3. Vorliegend war der Fortbestand des Titels bei Einleitung des Aufhebungsverfahrens nach § 926 Abs. 2 ZPO zwischen den Parteien nicht außer Streit.
a) Die Antragsgegnerin im Aufhebungsverfahren hat hier nicht vorgetragen, der Gegenpartei ihr zwischenzeitlich entfallenes Interesse am Bestand des Titels mitgeteilt und dadurch den Streit beendet zu haben. Die zwischenzeitliche interne Anweisung der Antragsgegnerin im Aufhebungsverfahren an ihren Verfahrensbevollmächtigten, die Hauptklage nicht einzureichen, war der Gegenpartei nicht bekannt und sie hätte auch jederzeit wieder geändert werden können.
b) Auch eine zwischenzeitlich eingetretene Verjährung des Unterlassungsanspruchs stellte den Fortbestand des Titels nicht zwangsläufig außer Streit. Denn die Verjährung hätte die Erhebung der Hauptklage (§ 926 Abs. 1 ZPO) nicht gehindert, sondern allenfalls den Erfolg der Hauptklage. Im Übrigen muss ein Schuldner auch damit rechnen, dass der Gläubiger aus besonderen Gründen den Eintritt der Verjährung in Abrede stellen könnte. Zwar mag der Eintritt der Verjährung ein Indiz sein, dass der Gläubiger ein Interesse an der weiteren Anspruchsverfolgung verloren haben könnte. Es ist aber nicht Aufgabe des Schuldners, bei Einleitung des Verfahrens nach § 926 Abs. 2 ZPO im Kosteninteresse des Gläubigers hierüber zu spekulieren. Jede...