Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 11.04.2012; Aktenzeichen (233 Ds) 3023 PLs 9845/11 (248/11)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 11. April 2012 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner zulässigen (Sprung-) Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
Die Revision hat (vorläufig) Erfolg, denn die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen sind lückenhaft.
Nach der Sachverhaltsdarstellung des Amtsgerichts "besprühte" der Angeklagte am 21. Mai 2011 in der R Straße 83 in Berlin gegen 2.00 Uhr "die Wand einer Hofzufahrt mit einem ca. zwei Mal zwei Meter großen Graffiti".
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat in ihrer Zuschrift vom 16. November 2012 mit Recht ausgeführt, dass diese Feststellungen dem Senat nicht die Überprüfung ermöglichen, ob durch das Besprühen der Wand der Tatbestand des § 303 Abs. 2 StGB erfüllt worden ist. Eine Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 2 StGB begeht, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert. Eine Veränderung des Erscheinungsbildes liegt vor, wenn die visuell wahrnehmbare Oberfläche der Sache infolge unmittelbarer körperlicher Einwirkung in einen anderen als den ursprünglichen Zustand versetzt wird (vgl. Stree/Hecker in Schönke/Schröder, StGB 28. Aufl., § 303 Rn. 16; Fischer, StGB 59. Aufl., § 303 Rn. 18). Erfasst ist damit auch jedes Beschriften, Bemalen oder Besprühen eines Objektes (vgl. Stree/Hecker aaO.). Der sehr weit gefasste Tatbestand erfährt seine Begrenzung dadurch, dass er unerhebliche oder nur vor- übergehende Veränderungen ausschließt. Eine solche unerhebliche, von § 303 Abs. 2 StGB nicht erfasste Veränderung liegt unter anderem dann vor, wenn sie völlig unauffällig bleibt, was etwa der Fall sein kann, wenn eine neue Farbauftragung sich auf einer infolge bereits vorangegangener Schmierereien bereits großflächig verunstalteten Fläche nicht mehr ausnimmt (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - [4] 1 Ss 318/11 [266/11] -; OLG Hamm, Beschluss vom 21. April 2009 - 1 Ss 127/09 - [juris]; Stree/Hecker aaO., Rn. 18; zum früheren Recht s. schon OLG Frankfurt am Main MDR 1979, 693).
Das Urteil muss daher sowohl Feststellungen zur Größe und Gestalt der mutmaßlichen Farbauftragungen - nicht nur zu deren äußeren Ausmaßen, sondern auch zu der für die rechtliche Bewertung ggf. bedeutsamen Ausgestaltung in der Fläche - als auch zu der dadurch bewirkten optischen Veränderung der betroffenen Fläche und deren Dauerhaftigkeit enthalten. Das ist vorliegend unterblieben. Es fehlen genauere Angaben zu den Farbauftragungen sowie jegliche Feststellungen zum (sonstigen) Zustand und Erscheinungsbild des betroffenen Hauses sowie den Auswirkungen des Graffito auf das Tatobjekt.
Die bloße Mitteilung des Amtsgerichts, dass "das Lichtbild vom Tatort (Bl. 26) (...) in Augenschein genommen" worden sei, genügt nicht. Darin liegt keine Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, die das Lichtbild zum Gegenstand der Urteilsgründe gemacht und es dem Senat erlaubt hätte, die Abbildung aus eigener Anschauung zu würdigen. Eine Verweisung gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO muss der Tatrichter deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck bringen (vgl. BGHSt 41, 376); sie muss die Zielsetzung erkennen lassen, das Lichtbild durch Inbezugnahme zum Bestandteil der Urteilsurkunde mit der Folge zu machen, dass das Revisionsgericht die Bilder aus eigener Anschauung würdigen und somit ihren Aussage- und Beweiswert beurteilen kann. Die Erwähnung der Fundstelle von Lichtbildern und deren Inaugenscheinnahme oder sonst der Hinweis des Tatrichters, sie seien zum Gegenstand der Verhandlung gemacht worden, stellt keine ordnungsgemäße Verweisung im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO dar (vgl. Senat, Urteil vom 17. März 2009 - [4] 1 Ss 506/09 [40/09] - und Beschluss vom 15. April 2003 - [4] 1 Ss 430/02 [28/03]; KG, Beschluss vom 15. Juni 2007 - 3 Ws (B) 266/07 -; Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl., § 267 Rn. 8 m.w.N.). Damit ist vielmehr lediglich ein Beweiserhebungsvorgang beschrieben (vgl. OLG Köln NZV 2004, 596, 597; KG, Beschlüsse vom 24. Oktober 2006 - 3 Ws (B) 25/06 - und 22. Dezember 2003 - 3 Ws (B) 463/03 -). Der vorliegende Hinweis des Amtsgerichts weist die bloße, auch bei sonstigen Beweismitteln gebräuchliche Angabe aus, auf welche Beweismittel sich das Gericht bei der Überzeugungsbildung gestützt hat. Hinzu kommt, dass auch eine ordnungsgemäße Verweisung nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, die lediglich "wegen der Einzelheiten" zulässig ist, das Tatgericht nicht davon befreit, den Inhalt des ...