Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 10.09.2002; Aktenzeichen (510) 1 Bra Js 2001/01 KLs (3/02)) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Freigesprochenen wird der Beschluß der Rechtspflegerin des Landgerichts Berlin vom 10. September 2002 dahin abgeändert, daß zusätzlich zu den festgesetzten 543,87 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 31. Juli 2002 weitere 602,04 Euro (in Worten: sechshundertundzwei Euro und vier Cent) nebst 4 % Zinsen seit dem 13. Juni 2002 als notwendige Auslagen des Freigesprochenen festgesetzt werden.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen fallen der Landeskasse Berlin zur Last.
Der Beschwerdewert beträgt 602,04 Euro.
Gründe
Das Landgericht Berlin hat den Beschwerdeführer auf Kosten der Landeskasse rechtskräftig von dem Vorwurf der besonders schweren Brandstiftung freigesprochen und der Landeskasse auch seine notwendigen Auslagen auferlegt. Seinem diesbezüglichen Festsetzungsbegehren hat die Rechtspflegerin des Landgerichts mit Beschluß vom 10. September 2002 - mit Abstrichen - hinsichtlich der Kosten der Verteidigung durch den Rechtsanwalt ... entsprochen, den - nach anfänglichem Handeln als Wahlverteidiger - der Strafkammervorsitzende dem Beschwerdeführer als Pflichtverteidiger beigeordnet hatte. Die am 13. Juni 2002 beantragte Festsetzung der Kosten auch der Verteidigung durch Rechtsanwalt ... hat die Rechtspflegerin - wenn auch nur durch Ausspruch in den Gründen des genannten Beschlusses - abgelehnt. Rechtsanwalt ... hatte sich nach dem zweiten Hauptverhandlungstag mit Vollmacht als Wahlverteidiger gemeldet und war am 10. Juni 2002, dem dritten und letzten Verhandlungstag, neben dem Pflichtverteidiger Rechtsanwalt ... vor der großen Strafkammer aufgetreten. Die sofortige Beschwerde des Freigesprochenen gegen die Zurückweisung seines Festsetzungsbegehrens im Punkte der Kosten der Verteidigung durch den Rechtsanwalt ... führt zum Erfolg.
1.
Das Rechtsmittel ist nach §§ 311 Abs. 2, 464 b Satz 3 StPO, §§ 103 Abs. 2 Satz 1, 104 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 ZPO, §§ 11 Abs. 1, 21 Nr. 1 RpflG zulässig.
Daß die angefochtene Zurückweisung nicht in die Beschlußformel Eingang gefunden hat, in der sie der Klarheit halber hätte Ausdruck finden sollen, ist unschädlich. Daß die Rechtspflegerin tatsächlich auch in dem betreffenden Punkte entschieden hat, geht jedenfalls eindeutig aus den Gründen hervor (BA S. 3: "Hinsichtlich des weiteren Antrages vom 11.06.02 von Rechtsanwalt ... kann nicht antragsgemäß entschieden werden.").
2.
Das Rechtsmittel ist auch begründet.
a)
Die Kosten des Wahlverteidigers sind dem Grunde nach erstattungsfähig.
Im Grundsatz trifft allerdings zu, worauf die Rechtspflegerin ihre Zurückweisung gestützt hat, nämlich daß die Kosten - außer im Fall eines notwendigen, vom Angeklagten nicht zu vertretenden Anwaltswechsels - nur insoweit erstattet werden, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen (§ 464 a Abs. 2 Nr. 2 StPO in Verbindung mit § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO; vgl. Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl., § 464 a Rdn. 13).
Dieser Grundsatz gilt im Verhältnis zwischen Wahl- und Pflichtverteidiger jedoch nur mit Einschränkungen. Er greift nicht ein, wenn das Nebeneinander nicht der Sphäre des Angeklagten zuzuschreiben ist. Denn der Zweck, die Staatskasse vor zu hohen Belastungen zu schützen, dem die Beschränkung der Erstattungsfähigkeit von Kosten mehrerer Anwälte auf die eines Anwalts zu dienen bestimmt ist, zielt vernünftigerweise nur auf solche Belastungen, die der Freigesprochene veranlaßt hat (vgl. KG JR 1980, 436). So sind die gesamten Kosten eines Wahlverteidigers - neben den Gebühren eines Pflichtverteidigers - jedenfalls dann erstattungsfähig, wenn das Gericht die Bestellung des Pflichtverteidigers entgegen § 143 StPO nicht oder nicht rechtzeitig zurückgenommen oder aus Fürsorgegründen oder zur Sicherung des Verfahrens die zusätzliche Beiordnung eines Pflichtverteidigers oder die Beibehaltung seiner Beiordnung für notwendig gehalten hat (vgl. BVerfG NStZ 1984, 561, 562; KG bei Kotz NStZ-RR 2000, 163; NStZ 1994, 451; JR 1980, 436; HansOLG Hamburg MDR 1986, 518; OLG Düsseldorf NStZ 1985, 235; AnwBl. 1983, 40; OLG Bamberg JurBüro 1984, 247; OLG Koblenz MDR 1984, 777; OLG Frankfurt a. M. AnwBl. 1983, 41; OLG München NStZ 1981, 194).
Hier ist nichts dafür ersichtlich, daß das Nebeneinanderhandeln des Wahl- und des Pflichtverteidigers dem Angeklagten zuzurechnen ist. Entweder hat der Strafkammervorsitzende versäumt, die Bestellung des Pflichtverteidigers angesichts des Auftretens des Wahlverteidigers gemäß § 143 StPO zurückzunehmen, oder er hat den Pflichtverteidiger, weil es ihm angezeigt erschien, zur Sicherung des Fortgangs der schon zwei Tage umfassenden Hauptverhandlung im Amt belassen.
b)
Die Wahlverteidigerkosten sind auch in der geltend gemachten Höhe festsetzbar.
Festzusetzen beantragt sind folgende Beträge:
Gebühr gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO für Hauptverhandlung am 10. Juni 2002 |
504,00 Euro |
Entgelte für Post- und Telekommunikati... |