Leitsatz (amtlich)
1. Der Mutter ist die elterlichen Sorge gem. § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB trotz fehlender Bindungstoleranz zu übertragen, da die Kinder keinen Kontakt zum Vater haben und einen Wechsel zu diesem ablehnen.
2. Das Recht, die Kinder in Umgangsangelegenheiten zu vertreten, ist den Eltern zu entziehen und einem Pfleger zu übertragen, da die bindungsintolerante Mutter nicht in der Lage ist diese Rechte der Kinder für diese geltend zu machen und hieraus eine Gefährdung des Kindeswohls (§ 1666) droht.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 19.04.2014; Aktenzeichen 155 F 23427/12) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 19.4.2014 - 155 F 23427/12 - geändert:
Der Mutter wird die elterliche Sorge für die Kinder M1..., M2...und L.übertragen, mit der Ausnahme des Rechts, Hilfen zur Erziehung für die Kinder zu beantragen, der Gesundheitssorge, soweit dies Einleitung und Durchführung von psychologischen oder psychotherapeutischen Maßnahmen für die Kinder betrifft, und die Vertretung der Kinder in der Wahrnehmung ihrer Umgangsrechte. Diese Rechte werden den Eltern entzogen und einem Pfleger übertragen.
Zum Pfleger wird...ausgewählt.
Die Pflegschaft wird berufsmäßig geführt.
Im Übrigen wird die Beschwerde der Mutter zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Verfahrens einschließlich des Verfahrens in erster Instanz haben die Eltern je zur Hälfte zu tragen; außergerichtliche Kosten des Verfahrens werden nicht erstattet.
Der Wert des Verfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Eltern waren seit dem 4.5.2002 verheiratet. Ihre Ehe ist seit August 2012 geschieden (AG W.). Die Eltern lernten sich 1997 im Rahmen ihrer Ausbildung ...kennen und lebten seit 1998 zusammen. Mit Geburt des 1. Kindes gab die Mutter ihre Berufstätigkeit auf. 2007 gab es die ersten Schwierigkeiten zwischen den Eltern, deren Ehe aufgrund von Auseinandersetzungen mit einem Bauträger nach Kauf einer Eigentumswohnung und der nicht einfachen Schwangerschaft der Mutter mit L.belastet war. 2008 kauften die Eheleute dann ein Haus in W., in dem heute wieder der Vater lebt. Dieses Haus musste ca. ein ¾ Jahr umgebaut werden, zudem absolvierte der Vater eine Weiterbildung zum ...mit der Hoffnung zukünftig dauerhaft im Tagesdienst beschäftigt werden zu können. Seit Anfang 2010 lebten dann die Eltern in dem Haus getrennt. Diese Phase war von Streitigkeiten der Eltern auch vor den Kindern geprägt. Im August 2011 ist der Vater ausgezogen, nachdem die Mutter ihren neuen Lebenspartner ...kennengelernt hat. Der Vater verzog in eine kleines Appartement ...seines Arbeitgebers, da die Eltern sich durch notariell beurkundete Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung des Notars ...in W.vom 29.11.2011 - Urk. Nr. ...2011 - dahingehend geeinigt hatten, dass der Vater das ehemalige Familienwohnheim zu Alleineigentum erhält und als Ausgleich 15.000 EUR an die Mutter zahlt, die sich verpflichtete, spätestens zum 30.6.2012 das Haus von ihren Gegenständen zu räumen und auszuziehen. Der Vater hatte nach seinem Auszug zunächst Umgang mit den Kindern und war in den Herbstferien 2011 auch mit diesen verreist. Danach brach der Umgang zunächst ab, dann einigten sich die Eltern am 14.11.2011 außergerichtlich dahingehend, dass der Vater alle vierzehn Tage von freitags bis sonntags die Kinder sehen sollte. Der letzte Umgang fand am 27./29.1.2012 statt. Danach brach der Umgang ab.
Die Mutter leitete dann am 21.2.2012 beim AG W.ein Verfahren auf Übertragung der elterlichen Sorge ein (AG W.). Sie begründete den Antrag damit, dass der Vater Betäubungsmittel konsumiere und aufgrund der Trennung suizidgefährdet und aggressiv sei. Er habe während der Trennung gedroht, sich und die Kinder umzubringen, wenn sie ihn verlasse. Daher würden die Kinder zurzeit auch nicht zum Vater wollen. Die Eltern einigten sich in diesem Verfahren dahingehend, dass der Vater sich mit einem Aufenthalt der Kinder bei der Mutter einverstanden erklärte und ihr zugleich Vollmacht erteilte, die Sorge in den Bereichen Gesundheits- und Vermögenssorge alleine auszuüben. Die Mutter verpflichtete sich, den Vater von allen wichtigen Belangen betreffend die Kinder zu unterrichten. Die Vollmacht hat der Vater im hiesigen Verfahren am 7.8.2013 widerrufen.
Der Vater seinerseits leitetet ein Umgangsverfahren beim AG W.ein (...). In diesem Verfahren ist ein Gutachten des Sachverständigen Dipl. Psych ...zur Frage, wie der Umgang geregelt werden könne, eingeholt worden. Der Sachverständige schlug in seinem Gutachten vom 7.7.2012 vor, dass ein Umgang in betreuter Form stattfinden solle. Die Mutter sei diejenige, die den Umgang eigentlich nicht wolle. Sie müsse daher ihre Haltung ändern und sollte beraterische Hilfe in Anspruch nehmen. Verweigere sie sich dem, so müsste aufgrund der mangelnden Bindungstoleranz darüber nachgedacht werden, ob sie das Sorgerecht noch uneingeschränkt ausüben könne. Der Vater müsse jedenfalls den Kindern erhalten bleiben.
Der Vater fordert...