Leitsatz (amtlich)

Kein zwingender Verlust des Vergütungsanspruchs eines Sachverständigen nach § 8a IV JVEG

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 5 O 115/16)

 

Tenor

Die Vertreterin der Landeskasse erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen.

 

Gründe

Die statthafte und zulässige Beschwerde der Vertreterin der Landeskasse kann nach Auffassung des Senats keinen Erfolg haben. Zu Unrecht beanstandet sie die Auffassung des Landgerichts, wonach die Vergütung des Sachverständigen unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht in Betracht kommt, weil der Gutachtenauftrag auch bei einem rechtzeitigen Hinweis des Sachverständigen auf die weitere Überschreitung der Kostengrenze nicht eingeschränkt oder abgebrochen worden wäre.

§ 8a IV JVEG bestimmt, dass der Sachverständige die Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses erhält, wenn die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich übersteigt und er nicht rechtzeitig nach § 407a IV 2 ZPO auf diesen Umstand hingewiesen hat. Zwar hat der Sachverständige im vorliegenden Fall nur einmal um eine Erhöhung der Kostengrenze gebeten, nämlich von 3.500 EUR auf 4.500 EUR. Die weitere Überschreitung hat er nicht angezeigt. Das führt aber, wie das Landgericht richtig gesehen hat, unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht dazu, dass der vom Sachverständigen geltend gemachte Anspruch zu kürzen ist.

Der Hinweis der Vertreterin der Landeskasse auf den vermeintlich eindeutigen Wortlaut des § 8a IV JVEG greift zu kurz. Ihre Argumentation berücksichtigt nicht, dass der Begriff der "erheblichen" Überschreitung deutlich macht, dass die Annahme einer starren Kappungsgrenze untunlich ist, vielmehr den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den wirtschaftlichen Interessen der Parteien Rechnung getragen werden muss (so etwa OLG Karlsruhe, DS 2018, 70 Rn. 12). Demgemäß führt die Verletzung der Anzeigepflicht des Sachverständigen nicht ohne weiteres zu einer Kürzung der von ihm geltend gemachten Vergütung. Vielmehr ist zu prüfen, ob bei verständiger Würdigung davon auszugehen ist, dass die Tätigkeit auch bei einem rechtzeitigen Hinweis nicht eingeschränkt oder unterbunden worden wäre (OLG Karlsruhe a.a.O. Rn. 10f., 16; Bleutge in: BeckOK-Kostenrecht, Stand: 15.05.2018, § 8a JVEG Rn. 30). Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass hier eine solche Fallgestaltung gegeben ist. Die Klägerin ist rechtsschutzversichert (siehe zu diesem Kriterium OLG Karlsruhe a.a.O. Rn. 16). Die Rechtsschutzversicherung hat auch anstandslos den wegen einer ergänzenden Befragung des Sachverständigen erforderlich gewordenen Kostenvorschuss in Höhe von weiteren 900 EUR eingezahlt. Es spricht nichts dafür, dass sich die unterlassene Anzeige des Sachverständigen auf den Gang der Begutachtung ausgewirkt hat.

Entgegen der Meinung der Vertreterin der Landeskasse ist diese schon früher vertretene Ansicht (siehe zB OLG Stuttgart, DS 2008, 78) nicht durch die im Zuge des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes in § 8a IV JVEG aufgenommene Regelung überholt. Das wird zwar von Teilen der Rechtsprechung angenommen (zB OLG Düsseldorf, DS 2018, 132). Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht. Soweit in diesem Zusammenhang auf die Formulierung in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 17/11471 [neu], S. 260) verwiesen wird, wonach die Vergütung des Sachverständigen "mit dem Betrag des Vorschusses gekappt werden soll", wenn die Vergütung den angeforderten Vorschuss erheblich übersteigt (OLG Düsseldorf a.a.O. Rn. 3), werden die Erwägungen in den Gesetzesmaterialien nicht vollständig berücksichtigt. Abgesehen von dem Verweis auf das oben erörterte Erheblichkeitskriterium heißt es in den Materialien auch, dass die Rechtsprechung in einer Vielzahl von Entscheidungen Kriterien für die Kürzung entwickelt hat (S. 146) und dass sich die vorgeschlagenen Regelungen an der für die Sachverständigenvergütung ausgewogenen Rechtsprechung orientieren (S. 259). Der Senat vermag daher nicht zu erkennen, dass sich aus den Gesetzesmaterialien etwas für die von der Vertreterin der Landeskasse vertretene Rechtsauffassung herleiten lässt.

Soweit sie schließlich meint, die Vorschrift des § 8a IV JVEG enthalte ein pönales Element, lässt sich das weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien entnehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 12512444

JurBüro 2019, 88

MedR 2019, 664

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