Verfahrensgang

LG Neuruppin (Aktenzeichen 3 O 75/21)

 

Tenor

Die Beschwerde des Sachverständigen gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Neuruppin vom 22.09.2021, Az. 3 O 75/21, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Wegen des Sachverhalts wird zunächst Bezug genommen auf Ziff. I der Gründe des angefochtenen Beschlusses. Das Landgericht hat auf Antrag des Bezirksrevisors die Vergütung des Sachverständigen auf 2.500,00 EUR festgesetzt mit der Begründung, der Sachverständige habe entgegen § 407a Abs. 4 S. 2 ZPO nicht rechtzeitig auf den Umstand hingewiesen, dass die letztlich abgerechnete Vergütung in Höhe von 4.723,49 EUR den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich übersteigen wird. Der Sachverständige habe keine Umstände dargetan, die ihn entschuldigen könnten. Eine solche Entschuldigung könne nicht allein damit begründet werden, dass der Umfang und die Komplexität des Gutachtenauftrags eine rechtzeitige Kalkulation unmöglich machten. Es sei nicht nachvollziehbar, dass dem Sachverständigen in Anbetracht des Umfangs der Akten nicht erkennbar gewesen sei, dass der Vorschuss deutlich überstiegen werden würde, zumal der Sachverständige allein für das Studium der Akten 22,5 Stunden und damit einen Betrag von 2.250,00 EUR abrechne. Es gehöre zu den gutachterlichen Pflichten, den Zeitaufwand im Hinblick auf die dann zu berechnende Vergütung regelmäßig zu überprüfen, so dass auch nicht das Argument greife, dass eine Prognose während der Gutachtenerstellung für jeden Gutachter schwierig bis unmöglich sei.

Der Sachverständige hat gegen den ihm 25.09.2021 zugestellten Beschluss mit einem am 19.10.2021 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass aus dem von ihm verfassten Gutachten aus medizinischer Sicht zwei wesentliche Fragen zu beantworten gewesen seien, die nicht a priori hätten beantwortet werden können, wobei auch eine approximative Abschätzung des Arbeitsaufwandes nur sehr unvollständig möglich gewesen sei. Erst nach Erstellung von Tabellen und pharmakokinetischen Berechnungen sei die ursächliche Problematik evident und nach einem umfangreichen Literaturstudium beantwortbar gewesen. Ein derart umfangreiches Aktenmaterial wie vorliegend mit mehr als 2000 Seiten und der in vier Gutachten vorgefertigten Interpretation erfordere einen Erkenntnisprozess, bei dem die später zu erstellende Gebührenrechnung zunächst von absolut sekundärer Bedeutung sei. Vielmehr wäre es höchst irritierend und nicht zielführend gewesen, mitten in der Erarbeitung eines Gutachtens Tabellen ohne Interpretation an das Landgericht zu schicken, versehen lediglich mit dem Hinweis, dass Akten- und Literaturstudium bereits den Kostenvorschuss aufgebraucht hätten. Am Ende der Arbeit sei er überzeugt gewesen, dass Inhalt und Umfang des Gutachtens selbsterklärend für das Übersteigen des Kostenvorschusses gewesen seien. Die bisher erstellten Gutachten seien teurer berechnet und vergütet worden, als die nunmehr von ihm beanstandete Gebührenrechnung.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 21.10.2021 unter Bezugnahme auf die Gründe im angefochtenen Beschluss nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die Beschwerde des Sachverständigen ist zwar gem. § 4 Abs. 3 JVEG zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 407a Abs. 4 ZPO hat der Sachverständige, sofern die voraussichtlich entstehenden Kosten einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen, rechtzeitig hierauf hinzuweisen. Hierauf wurde der Sachverständige im Anschreiben vom 03.03.2021 auch ausdrücklich hingewiesen und ebenso darauf, dass bei Verletzung dieser Hinweispflicht die Vergütung gem. § 8a Abs. 4 JVEG auf die Höhe des Auslagenvorschusses zu begrenzen ist. Diese Vorgabe war eindeutig formuliert und ließ dem Sachverständigen auch keinen Spielraum dafür, auf etwaige Hinweise zu verzichten. Von einer Erheblichkeit der Überschreitung ist in Rechtsprechung und Literatur regelmäßig bei mehr als 20 % die Rede. Unabhängig davon, ob es sich dabei um eine starre Kappungsgrenze handelt, muss jedenfalls bei einer Überschreitung wie vorliegend um fast 90 % über die Frage der Erheblichkeit nicht mehr diskutiert werden. Soweit vor dem Inkrafttreten des 2. KostRMoG in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten wurde, eine Kappung des Honorars auf den Auslagenvorschuss habe nur zu erfolgen, wenn eine Partei von ihrem Beweisantritt im Fall der Kenntnis der durch die Begutachtung entstehenden Kosten Abstand genommen hätte, ist dies durch die nunmehr geltende gesetzliche Regelung obsolet geworden. Zwar wird hieran in Teilen der Rechtsprechung auch nach der Gesetzesänderung aus dem Jahre 2013 weiterhin festgehalten (vgl. KG, Beschluss v. 24.08.2018, Az. 20 W 42/18; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 10.04.2017, Az. 13 W 25/17; OLG Hamm, Beschluss v. 02.12.2016, Az. 25 W 231/16; LG Offenburg, Beschluss v. 25.12.2020, Az. 3 OH 7/18; LG Memmingen, Beschluss v. 18.11.2019, Az. 2 HK...

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