Entscheidungsstichwort (Thema)
Missbräuchliche Gerichtsstandswahl im Lauterkeitrecht
Leitsatz (amtlich)
Die Annahme von Rechtsmissbrauch i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG kann nahe liegen, wenn ein Massenabmahner bei fehlender Unterwerfung das Gericht gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG nicht nach ihm vorteilhaft erscheinenden Präferenzen, sondern prinzipiell allein so auswählt, dass dieses vom Sitz des Gegners weit entfernt liegt.
Normenkette
UWG § 8 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 31.08.2007; Aktenzeichen 16 O 964/06) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der Zivilkammer 16 des LG Berlin vom 31.8.2007 - 16 O 964/06 - teilweise abgeändert:
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie des ersten Beschwerdeverfahrens (5 W 292/06) hat die Antragstellerin zu tragen.
2. Die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens (5 W 371/07) hat die Antragstellerin zu tragen.
3. Der Wert dieses Beschwerdeverfahrens (5 W 371/07) beträgt bis 900 EUR.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat - nach Antragszurückweisung durch das LG - im Beschwerdeweg eine einstweilige Verfügung des Senats gegen den Antragsgegner erwirkt, mit der diesem - unter Zurückweisung eines weiter gehenden Begehrens - untersagt worden ist, in seinem Internetauftritt bei eBay hinsichtlich Computerartikeln eine Widerrufsfrist von lediglich zwei Wochen anzugeben (Senat, Beschl. v. 19.12.2006 - 5 W 292/06). Hiergegen hat der Antragsgegner Widerspruch eingelegt. Nach Abgabe einer entsprechenden Unterlassungserklärung haben die Parteien das Verfahren in der Sache selbst durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet. Mit Beschluss vom 31.8.2007 hat das LG dem Antragsgegner 84 % der Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner - form- und fristgerecht eingelegten - sofortigen Beschwerde.
II. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist gem. § 91a Abs. 2 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 ZPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Antragstellerin sind sämtliche Kosten aufzuerlegen, da sie bei Fortführung des Eilverfahrens voraussichtlich unterlegen wäre. Im Gegensatz zur Vorinstanz hält der Senat die Geltendmachung des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs durch die Antragstellerin unter Zugrundelegung des sich nunmehr darstellenden Sach- und Streitstandes für rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung damit für unzulässig.
1. Nach der genannten Vorschrift ist die Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Die genannten Voraussetzungen lagen im Streitfall vor.
2. Von einem Missbrauch im Sinne besagter Vorschrift ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind (BGH GRUR 2006, 244, Tz. 16 - MEGA SALE; dazu auch Hess, jurisPR-WettbR 6/2006, Anm. 6), so etwa das Interesse, Gebühren zu erzielen oder den Gegner durch möglichst hohe Prozesskosten zu belasten oder ihn generell zu schädigen (vgl. Bergmann in: Harte/Henning, UWG, § 8 Rz. 313, m.w.N.). Hierbei setzt die Annahme eines Missbrauchs nicht voraus, dass die Rechtsverfolgung ohne jedwede wettbewerbsrechtlichen Interessen betrieben wird. Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Absichten hinter den vom Gesetzgeber missbilligten Zielen ist nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr, dass die sachfremden Ziele überwiegen (vgl. BGH und Bergmann jeweils a.a.O. m.w.N.).
Das Vorliegen eines Missbrauchs ist - so auch der zutreffende Ausgangspunkt des LG - jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung und Abwägung der gesamten Umstände festzustellen. Maßgebend sind die Motive und Zwecke der Geltendmachung des Anspruchs, die in der Regel aber nur aus den äußeren Umständen erschlossen werden können. Zu diesen Umständen können die Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes und das Verhalten des Schuldners nach dem Verstoß zählen. Vor allem ist aber auf das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung des konkreten und anderer Verstöße abzustellen; auch das Verhalten sonstiger Anspruchsberechtigter ist in die Betrachtung einzubeziehen (BGHZ 144, 165, 170 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung).
3. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann der Entscheidung der Vorinstanz im Ergebnis nicht zugestimmt werden.
a) Die Frage, ob ein Missbrauch vorliegt, ist - wie jede Prozessvoraussetzung - von Amts wegen zu prüfen (BGH GRUR 2002, 715, 717 - Scanner-Werbung). Die Folgen eines non liquet treffen den Beklagten, der deshalb gut daran tut, dem Gericht die notwendigen Grundlagen für die Amtsprüfung zu verschaffen (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Auf...