Leitsatz (amtlich)
1. Die Frage, ob zu erwarten ist, dass sich der Angeklagte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird, hat der Tatrichter unter Einbeziehung aller dafür bedeutsamen Umstände im Sinne einer Gesamtwürdigung zu entscheiden.
2. Eine Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung ist nicht nur dann rechtsfehlerhaft, wenn das Tatgericht nicht alle von ihm festgestellten relevanten Umstände in die gebotene Gesamtwürdigung mit einbezogen hat, sondern bereits dann, wenn die getroffenen Feststellungen lückenhaft sind, weil für die zukünftige Lebensgestaltung des Angeklagten maßgebliche Prognosegesichtspunkte nicht festgestellt und erörtert werden.
3. Die für die Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB entwickelten Rechtsgrundsätze zur Aufarbeitung der Straftaten lassen sich nicht in jedem Fall ohne Nachteil für den Angeklagten auf die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 1 StGB übertragen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 25.05.2018; Aktenzeichen (572) 284 Js 501/15 Ns (91/16)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. Mai 2018 im Ausspruch über die Strafaussetzung zur Bewährung mit den Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 7. Juni 2016 wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht und wegen Bedrohung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, wobei es auf Einzelfreiheitsstrafen von acht Monaten für die erste und zehn Monaten für die zweite Tat erkannt hat. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Berlin das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten (Einzelfreiheitsstrafen: jeweils sechs Monate) verurteilt wird. Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Die Nachprüfung des Urteils lässt im Hinblick auf den Schuldspruch keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Die unbeschränkt eingelegte Revision war insoweit dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Berlin folgend nach § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
Die Strafkammer hat insbesondere zu Recht angenommen, dass der Angeklagte durch das Absehen von weiteren Stichbewegungen (Fall 2) nicht zugleich von dem zuvor durch den Schlag mit der Glasplatte ausgeführten Versuch der gefährlichen Körperverletzung (Fall 1) strafbefreiend zurückgetreten ist. Jener Versuch war vielmehr fehlgeschlagen, da der Angeklagte die Tat - wie er wusste - nicht (mit dem bereits eingesetzten oder anderen bereitstehenden Mitteln) in unmittelbarem Fortgang des Geschehens vollenden konnte, es zur Herbeiführung des Erfolges vielmehr eines erneuten Ansetzens - mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsvorgangs - bedurfte (dazu vgl. BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93 - juris Rdn. 24; BGH, Urteil vom 25. November 2004 - 4 StR 326/04 - juris Rdn. 11; Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12 - juris Rdn. 32; Beschluss vom 11. März 2014 - 1 StR 735/13 - juris Rdn. 5), nachdem es dem Geschädigten gelungen war, den Schlag abzuwehren und in seine im 4. Obergeschoss gelegene Wohnung zu entkommen. Die Weiterverfolgung des Tatplans machte neue Vorbereitungshandlungen erforderlich. Der zweite Angriff erfolgte mit einem anderen Tatmittel und an einem anderen Ort. Der urteilsfremde Vortrag des Revisionsführers, dass er sich angegriffen gefühlt und geglaubt habe, sich gegen den Angriff verteidigen zu müssen, ist im Rahmen der Sachrüge nicht berücksichtigungsfähig und im Übrigen für das Tatgeschehen im Zeitraum ab der Flucht des Geschädigten ersichtlich ohne Relevanz.
2. Gegen die Bemessung der jeweils verhängten Freiheitsstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe ist aus Rechtsgründen ebenfalls nichts zu erinnern. Die Revision erweist sich auch insoweit als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3. Zum Ausspruch über die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung hat das Rechtsmittel dagegen Erfolg, da die Begründung der angefochtenen Entscheidung insoweit an rechtlich erheblichen Erörterungsmängeln leidet.
a) Die Frage, ob zu erwarten ist, dass sich der Angeklagte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 Satz 1 St...