Entscheidungsstichwort (Thema)
Billigkeitserwägungen im Rahmen eines Verfahrens nach § 10a Abs. 1 Nr. 1 VAHRG
Leitsatz (amtlich)
Im Verfahren gem. § 10a Abs. 1 Nr. 1 VAHRG so können Billigkeitserwägungen nach § 1587c BGB berücksichtigt werden, soweit diese auf einem bei der Erstentscheidung nicht abgeschlossenen Tatbestand beruhen.
Normenkette
BGB § 1587c; VAHRG § 10a Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Pankow/Weißensee (FamG) (Beschluss vom 24.05.2002; Aktenzeichen 22 F 7003/00) |
Tenor
Auf die befristete Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG Pankow/Weißensee vom 24.5.2002 - 22 F 7003/00 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beschluss des AG Charlottenburg vom 20.10.1988 zur Geschäftsnummer 130 F 5653/87 wird dahin abgeändert, dass ab 1.11.2000 zu Lasten der für den früheren Ehemann beim L.B. unter der Versorgungsnummer ... bestehenden Versorgungsanwartschaften für die frühere Ehefrau auf dem Versicherungskonto Nr. ... bei der B. Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 736,39 DM = 376,51 EUR, bezogen auf den 31.5.1987 begründet werden.
Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Im Übrigen wird der Versorgungsausgleich zu Lasten des früheren Ehemannes ausgeschlossen.
Die weiter gehende Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten werden dem Antragsteller und der Antragsgegnerin je zur Hälfte auferlegt. Eine Anordnung zur Erstattung außergerichtlicher Kosten ergeht nicht.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 969,53 EUR.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
Die Ehe der Parteien ist geschieden worden. Mit Beschl. v. 20.12.1988 hat das AG Charlottenburg zum Geschäftszeichen 130 F 5653/87 den Versorgungsausgleich zugunsten der Ehefrau durchgeführt und zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Ehemannes bei dem L.B. auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der B. Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 1.020,54 DM, bezogen auf den 31.5.1987 begründet. Der Antragsteller - früher Polizeibeamter - erhält bereits seit 1.4.1983 eine Pension wegen Dienstunfähigkeit. Im Ausgangsverfahren ist deshalb in beiden Instanzen § 1587c Nr. 1 BGB zur Anwendung gekommen, weil der Antragsteller seine Versorgung nicht mehr erhöhen konnte. Hinsichtlich eines den Betrag von 1.020,54 DM übersteigenden Betrages wurde der Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Das AG hatte dadurch damals 170,60 DM Anwartschaften weniger übertragen.
Der Antragsteller begehrt nunmehr im Verfahren gem. § 10a VAHRG eine weitere Herabsetzung des Versorgungsausgleichs zum 1.11.2000, weil auch die frühere Ehefrau nunmehr Rente bezieht. Das AG hat in der angefochtenen Entscheidung - unter Beachtung der Grundsätze der Erstentscheidung - statt 1.020,54 DM nur noch 862,52 DM (441 EUR) übertragen.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller, der eine weitere Herabsetzung des Versorgungsausgleichs begehrt. Er macht im Wesentlichen geltend, zum Zeitpunkt der Erstentscheidung sei eine sichere Prognose nicht möglich gewesen, weil gerade die berufliche Entwicklung der Antragsgegnerin noch andauerte und nicht absehbar war, wie sich die Altersversorgung der Antragsgegnerin bei Eintritt in den Ruhestand entwickeln würde. Außerdem konnten die Steuerlasten damals noch nicht einbezogen werden. Nunmehr habe sich gezeigt, dass die Antragsgegnerin bis zum Erreichen der üblichen Altersgrenze berufstätig gewesen ist.
Die Antragsgegnerin bezieht seit dem 1.11.2000 Altersrente für Frauen, nämlich jetzt 2.851,45 DM unter Einbeziehung des Versorgungsausgleichs sowie eine V.-Rente i.H.v. 737,70 DM/377,18 EUR, jeweils netto, d.h. die Krankenversicherung ist bereits abgezogen (Ehezeitanteil V. = 369,02 DM/188,68 EUR; B.: 758,24 DM/387,68 EUR). Die Antragsgegnerin verfügt damit über monatliche Einkünfte von insgesamt 3.589,15 DM/1.835,10 EUR.
Der Antragsteller erhält netto monatlich 2.945,09 DM/1.505,80 EUR, wovon noch 394,75 DM/ 201,83 EUR Kranken- und Pflegeversicherung in Abzug zu bringen sind, so dass ihm netto monatlich im Vergleich zur Antragsgegnerin 2.550,34 DM/1.303,97 EUR zur Verfügung stehen.
Der Antrag des Antragstellers ist zulässig und teilweise begründet. Das Verfahren gem. § 10a Abs. 1 Nr. 1 VAHRG ist wegen eines eingetretenen Unterschiedes im Hinblick auf die Versorgung der Antragsgegnerin bei der V. eröffnet. Unter diesen Umständen vertritt der Senat die Auffassung, dass Billigkeitserwägungen nach § 1587c BGB, die auf einem bei der Erstentscheidung nicht abgeschlossenen Tatbestand beruhen, berücksichtigt werden können, mit der Folge, dass eine sog. "Totalrevision" der Erstentscheidung insoweit möglich ist. Einer darüber hinausgehenden Rechtskraftdurchbrechung ist allerdings mit Zurückhaltung zu begegnen. Im Ausgangsverfahren hat der damals zuständige 17. Zivilsenat des KG in seiner damaligen Beschwerdeentscheidung eine weitere Kürzung des Ve...