Leitsatz (amtlich)

Eine rückwirkende Bestellung des Zeugenbeistandes ist unzulässig und wäre unwirksam.

Die ablehnende Entscheidung des Vorsitzenden ist gemäß § 68b Satz 4 StPO unanfechtbar.

 

Tenor

In dem Ermittlungsverfahren ... wird der Antrag des Zeugen K. auf Beiordnung der Rechtsanwältin L. als Zeugenbeistand für die Dauer der Vernehmung am 24. Oktober 2007 abgelehnt.

 

Gründe

Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten Dr. B. u.a. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung "militante gruppe (mg)", die seit 2001 eine Vielzahl von Brandanschlägen verübt haben soll. Am 24. Oktober 2007 ist der Zeuge K. insbesondere zu seinen Kontakten zu dem Beschuldigten F. L. vernommen worden. Dieser ist der Mitgliedschaft in der "militante gruppe (mg)" sowie der versuchten Brandstiftung an drei Lastkraftwagen der Bundeswehr dringend verdächtig (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 28. November 2007 - StB 43/2007 -). Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2007 hatte sich Rechtsanwältin L. unter Vorlage einer Vollmacht vom selben Tag als "Vernehmungsbeistand" des Zeugen K. gemeldet und die Beiordnung für die Dauer der Vernehmung gemäß § 68b StPO beantragt. Über den Antrag ist vor der Vernehmung, an der die Rechtsanwältin als Wahlbeistand teilnahm, nicht entschieden worden. Der am 4. Februar 2008 beim Kammergericht eingegangene Antrag auf nachträgliche Beiordnung war abzulehnen.

1.

Es kann dahinstehen, ob die Beiordnung gemäß § 68b Satz 2 Nr. 1 und 3 StPO schon deshalb nicht geboten war, weil der Zeuge K. in der Vernehmung einen bevollmächtigten Rechtsbeistand hatte, nachdem sich Rechtsanwältin L. am Tage vor der Vernehmung unter Vollmachtsvorlage als Wahlbeistand gemeldet und das Mandat nicht niedergelegt und klarstellt hatte, dass sie nur als beigeordneter Beistand auftreten werde. Unabhängig davon kommt eine rückwirkende Bestellung des Zeugenbeistandes nicht in Betracht. Sie ist unzulässig und wäre unwirksam.

§ 68b Satz 3 StPO verweist bezüglich der Beiordnung auf die Vorschriften für den Verteidiger. Für diesen besteht weitgehend Einigkeit in der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass eine rückwirkende Beiordnung ausgeschlossen ist (vgl. KG StraFo 2006, 200; vgl. BGH StV 1989, 378; OLG Düsseldorf StV 1984, 66; KG, Beschlüsse vom 9. Februar 2005 - 5 Ws 40/05 - und 5. November 2001 - 3 Ws 510/01 -; Lüderssen in LR, StPO 25. Aufl., § 141 Rdn. 11; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., § 141 Rdn. 8), selbst wenn der Antrag noch vor Beendigung des Verfahrens angebracht worden ist (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 1988, 774; OLG Celle JurBüro 1991, 857f; OLG Karlsruhe, JurBüro 1986, 574f; KG, Beschluss vom 23. August 2005 - 4 Ws 121/05 -). Für den Zeugenbeistand gilt nichts anderes. Eine rückwirkende Änderung seiner Rechtsstellung verbietet sich, weil die Tätigkeiten als Wahlbeistand und als beigeordneter Beistand in ihrem Wesen verschieden sind. Während die Mandatserteilung zu einer vertraglichen Beziehung zwischen Beistand und Zeugen führt, ergibt sich aus der Bestellung ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis, auf dessen Grundlage der Rechtsanwalt, der auf diese Weise als Privater zu öffentlichen Zwecken in Dienst genommen wird (vgl. BVerfGE 39, 238), persönlich und ohne die Möglichkeit der Erteilung einer Untervollmacht tätig wird. Er muss diese Tätigkeit übernehmen und kann sich nur durch Entpflichtung, nicht aber - wie der gewählte Beistand - durch einfaches Niederlegen des Mandats entziehen. Sein Vergütungsanspruch richtet sich gegen die Staatskasse, nicht gegen den Mandanten. Die Bestellung kommt "nach Inhalt und Qualität einem begünstigenden Verwaltungsakt" gleich (BVerfG a.a.O.).

Die rückwirkende Bestellung wäre zudem auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Denn die mit der Bestellung zum Pflichtbeistand einsetzende öffentlich-rechtliche Pflicht zum Tätigwerden kann der Rechtsanwalt nach Abschluss der Vernehmung, auf deren Dauer die Beiordnung nach dem Wortlaut des § 68b Satz 1 StPO beschränkt ist, nicht mehr erfüllen, nachdem er seine Leistung bereits als Wahlbeistand aufgrund eines Mandatsverhältnisses erbracht hat.

Eine rückwirkende Beiordnung würde im vorliegenden Fall ausschließlich dem verfahrensfremden Zweck dienen, dem Beistand für einen bereits abgeschlossenen Verfahrensabschnitt einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen, nicht jedoch einen ordnungsgemäßen Rechtsbeistand des Zeugen zu gewährleisten. Das ist mit dem Normzweck des § 68b StPO nicht zu vereinbaren. Diese Vorschrift dient nicht dem Kosteninteresse des Beistandes oder des Zeugen. Sie zielt auf Ausnahmefälle, in denen das Rechtsstaatsprinzip die Verbesserung der Rechtsstellung bestimmter schutzbedürftiger Zeugen in Vernehmungssituationen gebietet (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., Rdnr. 1 zu § 68b). Sie soll dem Zeugen, der seine prozessualen Rechte nicht selbst wahrnehmen kann, durch die Beiordnung rechtskundige Hilfe gewähren(Senge in KK, StPO, 5. Aufl., Rdnr. 2 zu § 68b). Es geht nic...

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