Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 104 O 124/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 20. Februar 2018 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die nach dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. November 2016 von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden, in dem Antrag vom 30. Januar 2017 und nachstehend berechneten Kosten werden auf
5.038,02 EUR
- in Worten fünftausendachtunddreißig 2/100 EURO - nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Februar 2017 festgesetzt.
Der zu Grunde liegende Titel ist rechtskräftig.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Klägerin 17% und die Beklagte 83% nach einem Wert von 8.137,50 EUR zu tragen.
Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren gemäß KV GKG 1812 wird auf die Hälfte reduziert.
Gründe
I. Die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist statthaft (§ 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO) und auch sonst zulässig. Diese hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die unterliegende Partei hat die dem Prozessgegner erwachsenen Kosten gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Insoweit ist maßgeblich darauf abzustellen, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme - hier: die vorgerichtliche Einholung eines Privatgutachtens - objektiv als sachdienlich ansehen durfte. Für die Beurteilung der Sachdienlichkeit ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Kosten auslösende Maßnahme veranlasst wurde, mithin ex ante auf den Zeitpunkt der Erteilung des Gutachtenauftrags (BGH, Beschluss vom 26. Februar 2013 - VI ZB 59/12 - NJW 2013, 1823; OLG Nürnberg, Beschluss vom 19. April 2016 - 12 W 737/16 - NJW-RR 2017, 60; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 91 RdNr. 13, Stichwort "Privatgutachten", jeweils m.w.N.).
Die Kosten eines vor dem Rechtsstreit eingeholten Privatgutachtens sind grundsätzlich mangels unmittelbarer Prozessbezogenheit keine notwendigen Kosten des nachfolgenden Rechtsstreits im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im Hinblick auf ein konkretes Verfahren entstandene Kosten eines Privatgutachtens sind ausnahmsweise dann erstattungsfähig, wenn eine ausreichende Klagegrundlage nur durch einen Sachverständigen beschafft werden konnte und das Gutachten damit zur Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung erforderlich war, vorausgesetzt, dass die Sachkunde der Partei hierzu nicht ausreichte (OLG Nürnberg, a.a.O.; Zöller/Herget, a.a.O.). Dient das Privatgutachten dagegen lediglich der Beurteilung der Prozessaussichten, sind hierfür entstandene Kosten nicht erstattungsfähig (OLG Köln, Beschluss vom 31. Oktober 2002 - 17 W 279/02 - JurBüro 2003, 313; OLG Koblenz, Beschluss vom 20. Dezember 1989 - 14 W 874/89 - JurBüro 1990, 1474; Zöller/Herget, a.a.O.).
Die Kosten eines erst während des Rechtsstreits eingeholten ("prozessbegleitenden") Privatgutachtens sind ausnahmsweise dann erstattungsfähig, wenn dies unter dem Gesichtspunkt der "Waffengleichheit" geboten ist, wenn der Partei andernfalls eine gerichtlich geforderte Substantiierung nicht möglich wäre oder wenn die Partei andernfalls ein gerichtlich eingeholtes Gutachten nicht überprüfen, insbesondere diesbezügliche Fragen an den gerichtlichen Sachverständigen nicht formulieren könnte, weil ihr besondere technische, mathematische oder sonstige fachliche Kenntnisse fehlen (Gesichtspunkt der "Waffengleichheit") (OLG Nürnberg, a.a.O.; OLG Brandenburg, Beschluss vom 19. September 2008 - 6 W 98/08, JurBüro 2009, 434; Zöller/Herget, a.a.O.).
Die dem Kostenfestsetzungsantrag vom 30. Januar 2017 beigefügten sechs Rechnungen des Ingenieurbüros ... über insgesamt 8.137,50 EUR belegen, dass er durch Wahrnehmung von Besprechungsterminen, der vom gerichtlich bestellten Sachverständigen durchgeführten Ortsterminen und des Termins zur Beweisaufnahme vor dem Landgericht am 29. Mai 2016 sowie durch Stellungnahmen zum Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen, durch die "Kontrolle der Klageerwiderung und Freigabe", durch "Zuarbeit und Kontrolle der Rechtsanwaltsschreiben" des Prozessbevollmächtigten der Beklagten und ähnlicher Tätigkeiten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Berlin am 29. September 2016 begleitet hat. Eine solche komplette sachverständige Prozessbegleitung der Beklagten ist indes zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO in aller Regel nicht erforderlich. Es ist unzweifelhaft jeder Partei unbenommen, außergerichtlich - auf eigene Kosten - fachkundigen Rat in dem Maße einzuholen, in dem sie dies in ihrem Interesse für wünschenswert erachtet. Erstattungsrechtlich, das heißt soweit es darum geht, die finanziellen Folgen veranlasster Maßnahmen auf den Prozessgegner abzuwälzen, hat die Partei sich jedoch bei der Rechtsverfol...