Leitsatz (amtlich)
Für die Feststellung, ob der für die schriftliche Abfassung eines Gutachtens angegebene Zeitaufwand erforderlich ist, darf nicht allein oder ausschlaggebend auf die Seitenzahl des erstatteten Gutachtens abgestellt werden. Der Senat hält an seinem Hinweis in der Entscheidung vom 24.4.2001 (KG v. 24.4.2001 - 1 W 2398/00, KGReport Berlin 2002, 205) nicht fest, wonach als Richtwert davon ausgegangen werden kann, dass bei einem Gutachten ohne besondere Schwierigkeiten etwa eine Zeitstunde zur Ausarbeitung von zwei Gutachtenseiten erforderlich ist. Vielmehr wird der Aufwand im Einzelfall von der Schwierigkeit der Gutachtenerstattung bestimmt.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 26.06.2001; Aktenzeichen 6 O 87/99) |
Tenor
In Änderung des angefochtenen Beschlusses wird die dem Beteiligten zu 1) zu gewährende Entschädigung auf insgesamt 2.812,64 EUR (5.501,04 DM) festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen die Festsetzung seiner Entschädigung als Sachverständiger ist gem. § 16 Abs. 2 ZSEG zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Dem Beteiligten zu 1) steht über den vom LG festgesetzten Betrag von 4.231,11 DM hinaus eine weitere Entschädigung i.H.v. 1.269,93 DM zu, insgesamt demnach 5.501,04 DM = 2.812,64 EUR. Das entspricht dem von dem Beteiligten zu 1) insgesamt - nach der von ihm nicht beanstandeten Kürzung seiner Rechnung vom 20.4.2000 wegen überhöhter Kopiekosten von 592,80 DM auf 552,30 DM - beantragten Betrag.
Der Beteiligte zu 1) hat in seiner Honorarrechnung vom 12.1.2000 einen Betrag von 4.948,74 DM für sein Gutachten vom 12.1.2000 berechnet, wobei er u.a. für die Erstellung des Gutachtens 28,5 Zeitstunden zu je 90 DM sowie einen Zuschlag als Berufssachverständiger von 50 % in Ansatz brachte. Für die ergänzende gutachtliche Stellungnahme vom 20.4.2000 hat er u.a. einen weiteren Zeitaufwand von 3 Stunden berechnet. Das LG hat dem Beteiligten zu 1) lediglich eine Entschädigung von 4.231,11 DM bewilligt, wobei es den angegebenen Zeitaufwand für die Ausarbeitung des Gutachtens von 14 Stunden auf 6 Stunden gekürzt hat. Im Übrigen hat es den berechneten Stundensatz sowie den Zeitaufwand für die verschiedenen Arbeitsschritte akzeptiert.
Dem Beschwerdegericht obliegt die volle Nachprüfung der zu gewährenden Entschädigung. Es darf sich nicht auf die Überprüfung der Frage beschränken, ob die vorgenommene Kürzung des Zeitaufwandes zu Recht erfolgt ist. Denn Gegenstand der richterlichen Festsetzung nach § 16 Abs. 1 ZSEG ist der Gesamtbetrag der Sachverständigenentschädigung, während die Festsetzung einzelner Elemente unzulässig ist. (KG Rpfleger 1981, 126; OLG München JurBüro 1996, 321). Dementsprechend kann die gerichtliche Nachprüfung im Beschwerdeverfahren nicht auf einzelne umstrittene Positionen begrenzt werden. Vielmehr muss das Gericht sämtliche Rechnungsposten überprüfen, wobei auch eine Herabsetzung einzelner Rechnungsposten zum Nachteil des Sachverständigen sowie der Austausch von Rechnungspositionen in Betracht kommen (OLG Schleswig v. 14.9.1984 - 1 Ws 574/84, MDR 1985, 79 = KostRspr § 16 Nr. 83, m. abl. Anm. Lappe; OLG Düsseldorf MDR 1995, 1267; Meyer/Höver/Bach, ZSEG, 22. Aufl., § 16 Rz. 15).
Die beanspruchte Entschädigung ist im vorliegenden Fall jedoch weder nach dem berechneten Zeitaufwand noch nach der Höhe des Stundensatzes überhöht.
1. Die Entschädigung eines Sachverständigen richtet sich nach § 3 Abs. 2 S. 2 ZSEG zunächst nach dem erforderlichen Zeitaufwand. Dies ist nach allgemeiner Auffassung der im konkreten Fall für die Erledigung des Gutachtenauftrages objektiv erforderliche Zeitaufwand. Entscheidend ist nicht die Zeit, die der Sachverständige tatsächlich für die Begutachtung aufgewandt hat, sondern der Zeitaufwand, den ein mit der Materie vertrauter Sachverständiger von durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung benötigt, um die Beweisfrage sachgemäß zu beantworten (KG JurBüro 1984, 1066 [1067]; NJW-RR 1987, 1470 f.). Das Gericht darf und muss daher prüfen, ob der vom Sachverständigen mitgeteilte Zeitaufwand wirklich erforderlich war (BGH v. 6.10.1983 - III ZR 61/82, MDR 1984, 383 = VersR 1984, 77 [79]). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass dem Sachverständigen ein Ermessensspielraum eingeräumt ist: Grundsätzlich bleibt ihm im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens die Entscheidung überlassen, wie viel Zeit für eine ordnungsgemäße Begutachtung notwendig ist. Die Qualität des Gutachtens könnte beeinträchtigt werden, wenn der Sachverständige befürchten müsste, dass seine individuelle Entschließung im Nachhinein einer allgemeinen Angemessenheitskontrolle anhand objektiver Kriterien unterzogen wird und unter diesem Gesichtspunkt der von ihm für erforderlich gehaltene Zeitaufwand möglicherweise zum Teil nicht entschädigt wird. Deswegen ist zunächst von den Zeitangaben des Sachverständigen auszugehen. Anlass für eine Prüfung und eine Korrektur der Stundenzahl besteht nur dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ganz ei...