Leitsatz (amtlich)

1. Zur Zulässigkeit der Anschlussbeschwerde eines Ehegatten in der Folgesache Versorgungsausgleich, § 66 FamFG

2. Die fiktive Wert der Bewertungsreserve einer Lebensversicherung ist nicht zusätzlich zum korrespondierten Kapitalwert für die Prüfung einer Geringfügigkeit iS von § 18 Abs. 2 und 3 VersAusglG heranzuziehen.

3. Auch mehrere iS v. § 18 Abs. 2 VersAusglG geringwertige Anrechte auf Seiten eines Ehegatten können von der Teilung ausgeschlossen werden, wenn deren kumulierter Wert insgesamt (geringfügig) über der Bagatellgrenze liegt und weitere Gründen nicht zur Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes führen.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 25.08.2010; Aktenzeichen 156 F 18842/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der G.AG und die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 25.8.2010 zu Ziff. 6 und Ziff. 7 geändert:

6. Ein Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der G.AG findet nicht statt.

7. Der Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der H.Versicherungs-AG unterbleibt.

Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird im Übrigen als unzulässig verworfen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.400 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Antragsgegnerin wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwältin ...beigeordnet.

Im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind monatliche Raten von 60 EUR zu leisten.

 

Gründe

Die am 21.8.1996 geschlossene Ehe der Beteiligten ist auf den am 19.12.2009 zugestellten Scheidungsantrag des Antragstellers durch Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 25.8.2010 geschieden worden. Zugleich sind im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des Antragstellers in der gesetzlichen Versicherung zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht von 8,0576 Entgeltpunkten und zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der I.Lebensversicherung zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht von 7.727,56 EUR übertragen worden. Ferner sind im Wege der internen Teilung jeweils zu Lasten der Anrechte der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten des Antragstellers Anrechte von 0,1585 Entgeltpunkten und 4,9243 Entgeltpunkten (Ost) sowie zu Lasten der Anrechte der Antragsgegnerin bei der G.AG und der H.Versicherungs AG jeweils zugunsten des Antragsgegners Anrechte von 2.401,68 EUR und 721,76 EUR übertragen worden. Das Anrecht der Antragsgegnerin bei der H.Versicherungs AG ist zugunsten des Antragsgegners extern geteilt worden, indem die H.Versicherungs AG verpflichtet worden ist, einen Betrag von 721,76 EUR bei der Versorgungsausgleichskasse einzuzahlen.

Gegen den ihr am 25.10.2010 zugestellten Beschluss hat die G.AG am 27.10.2010 Beschwerde eingelegt und zur Begründung darauf hingewiesen, dass das von der Antragsgegnerin bei ihr erworbene Anrecht geringwertig iS von § 18 Abs. 2 VersAusglG sei, und nicht auszugleichen sei, weil der Beschwerdeführerin hierdurch ein im Vergleich zum Wert des neu einzurichtenden Anrechts unverhältnismäßiger Aufwand entstehen würde.

Die Antragsgegnerin hat am 18.2.2011 Anschlussbeschwerde eingelegt mit dem Begehren sowohl ihr Anrecht bei der G.AG wie auch bei der H.Versicherungs-AG wegen Geringwertigkeit nicht auszugleichen.

Der Antragsteller beantragt die Beschwerde und die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.

Die übrigen Beteiligten sind schriftlich angehört worden.

Die gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der G.AG ist begründet.

Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin ist gem. § 66 FamFG zulässig und begründet hinsichtlich des Begehrens, auch ihr Anrecht bei der H.Versicherungs-AG nicht zu teilen, und im Übrigen unzulässig.

Da die Antragsgegnerin sich vorliegend mit der Anschlussbeschwerde nicht gegen einen Teil der Entscheidung wendet, der eine andere Familiensache betrifft, richtet sich die Zulässigkeit der Anschlussbeschwerde nicht nach § 145 FamFG, sondern nach den allgemeinen Vorschriften, hier § 66 FamFG.

Für die Anschlussbeschwerde ist zumindest ein Rechtsschutzbedürfnis erforderlich (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 28. Aufl., § 66 FamFG, Rz. 2). Soweit sich die Antragsgegnerin nur der Beschwerde der Beschwerdeführerin anschließt, fehlt ein Rechtsschutzbedürfnis. Da die Anschlussbeschwerde ihre Wirkung verliert, wenn das Hauptrechtsmittel zurückgenommen wird (§ 66 S. 2 FamFG), kann die Antragsgegnerin auch nicht unabhängig vom Verhalten der Beschwerdeführerin ihr Ziel erreichen, so dass auch aus diesem Grund ein Rechtsschutzbedürfnis nicht gegeben ist.

Im Übrigen ist die Anschlussbeschwerde zulässig und begründet. Sie ist formgerecht beim Beschwerdegericht eingelegt worden. Die Anschlussbeschwerde ist auch nicht fristgebunden, sondern kann bis zum Erlass der Entscheidung eingelegt werden.

Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben. Weitere Voraussetzungen für eine zuläs...

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