Leitsatz (amtlich)
1. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters (§ 42 Abs. 2 ZPO) vermögen nur objektive Gründe zu rechtfertigen, welche vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber.
2. Die dienstliche Äußerung nach § 44 Abs. 3 ZPO dient allein der Tatsachenfeststellung. Da es nicht Aufgabe des abgelehnten Richters ist, die zur Begründung des Ablehnungsantrags vorgebrachten Tatsachen in seiner Erklärung "zu würdigen" bzw. die von ihm getroffenen Entscheidungen oder seine Rechtsauffassung nachträglich zu rechtfertigen oder zu verteidigen, kann die Abgabe einer dienstlichen Erklärung vollständig unterbleiben oder sich auf einen Verweis auf die Akten beschränken, wenn das Ablehnungsersuchen allein auf bereits aktenkundige Gründe gestützt wird.
3. Wird ein Terminänderungsantrag (§ 227 ZPO) erst unmittelbar vor dem anberaumten Termin unter Hinweis auf eine Erkrankung gestellt und bleibt dem Vorsitzenden daher keine Zeit, die Partei zur Glaubhaftmachung der Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit aufzufordern, müssen die Gründe für die Verhinderung bereits in dem Verlegungsantrag so angegeben und untermauert werden, dass das Gericht die Frage der Verhandlungsfähigkeit selbst zu beurteilen vermag.
Normenkette
ZPO §§ 42, 44 Abs. 2, § 227
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 12 O 273/16) |
Tenor
Die Ersuchen des Klägers vom 25. März 2022, vom 27. März 2022 und vom 29. März 2022, den Richter am Kammergericht Dr. ... wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, werden für unbegründet erklärt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagten auf die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung von Geschäftsführeranstellungsverträgen sowie auf Zahlung der hieraus resultierenden Vergütung in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage mit dem von beiden Parteien angefochtenen Urteil teilweise stattgeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Beklagten haben ihre Berufung mittlerweile wieder zurückgenommen.
Nach der Übertragung der Sache auf den nunmehr abgelehnten Richter als Einzelrichter hat dieser mit einer Verfügung vom 17. Februar 2022 einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 29. März 2022 anberaumt. Dieser Termin ist auf Antrag des Klägers wegen der Verhinderung seines Prozessbevollmächtigten auf Montag, den 28. März 2022, 14:00 Uhr, verlegt worden. Mit einem am Freitag, den 25. März 2022, eingegangenen Schriftsatz hat der Klägervertreter eine erneute Verlegung des Termins beantragt und zur Begründung ausgeführt, dass er diesen aufgrund der Folgen eines am 19. März 2022 erlittenen Unfalls nicht wahrnehmen könne. Mit einer Verfügung vom gleichen Tag hat der abgelehnte Richter um Verständnis gebeten, dass der bereits am nächsten Montag stattfindende Termin zur mündlichen Verhandlung nicht verlegt werden könne, weil erhebliche Gründe hierfür nicht hinreichend vorgetragen und glaubhaft gemacht worden seien. Alternativ bestehe jedoch die Möglichkeit, die Verhandlung zum vorgesehenen Termin im Wege der Bild- und Tonübertragung durchzuführen, sofern dies von dem Klägervertreter gewünscht werde.
Mit einem ebenfalls noch am Freitag, den 25. März 2022, eingegangenen Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Verlegungsantrag unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung vom 21. März 2022 wiederholt und den zuständigen Einzelrichter als befangen abgelehnt. Die Zurückweisung des Terminverlegungsantrags sei in seinem Duktus von einem derart aggressiven Zynismus geprägt, dass die subjektiv negative Einstellung des abgelehnten Richters für jeden unvoreingenommenen Dritten ohne Weiteres gewahr werde. Mit einem weiteren am Sonntag, den 27. März 2022, eingegangenen Schriftsatz hat der Beklagtenvertreter sein Ablehnungsersuchen wiederholt. In den Anmutungen des abgelehnten Richters liege die Aufforderung, mit einem Krankentransport zu erscheinen und der Termin auf einer Kranken-Bahre liegend unter Schmerzen durchzuführen. Diese noch nicht erlebte Variante richterlicher Selbstherrlichkeit bezeuge allgemein eine Menschenverachtung und speziell Behindertenfeindlichkeit, was von dem vorauszusetzenden Bild eines deutschen Richters erheblich abweiche.
Der abgelehnte Richter hat hierauf am Montag, den 28. März 2022, als unaufschiebbare Eilmaßnahme den am gleichen Tag anstehenden Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben. Ferner hat er dienstliche Erklärungen abgegeben, die sich auf einen Verweis auf den Inhalt der Akten beschränken. Der Kläger hat die dienstlichen Erklärungen zum Anlass genommen, den zuständigen Einzelrichter mit einem Schriftsatz vom 29. März 2022 erneut als befangen abzulehnen. Indem der Richter es nicht für nötig befunden habe, auf die Vorhalte in den beiden bisherigen Ablehnungsersuchen einzugehen, habe er zu erkennen gegeben, dass ihm die Befürchtungen des Klägers gleichgültig seien. Damit werde deutlich, dass er den Anliegen und der Person des Klägers ganz allgemein die vorau...