Leitsatz (amtlich)
Unvorhergesehene Pausen oder kürzere Unterbrechungen der Hauptverhandlung, die der Rechtsanwalt nicht zu vertreten hat und die er nicht anderweitig nutzen kann, sind bei der Bestimmung der für den Längenzuschlag des Pflichtverteidigers maßgeblichen Zeit zu berücksichtigen. Längere Sitzungspausen, die z.B. für eine Mittagspause angeordnet wurden, sind hingegen bei der Bestimmung des Längezuschlags nicht einzurechnen.
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Pflichtverteidigerin, Rechtsanwältin xxx, gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 26. Januar 2007 wird verworfen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Rechtsanwältin xxx ist der früheren Angeklagten am 3. April 2006 zur Pflichtverteidigerin bestellt worden. In ihrem Antrag auf Festsetzung der Vergütung hat sie zunächst für die Teilnahme an der Hauptverhandlung vor der großen Strafkammer am 25., 27. Oktober, 1. und 17. November 2006 neben der Terminsgebühr (Nr. 4120 VV RVG) jeweils eine zusätzliche Gebühr gemäß Nr. 4122 VV RVG (so genannter Längenzuschlag) in Höhe von 178,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer geltend gemacht. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat diese Zusatzgebühr im Hinblick auf den Termin am 25. Oktober 2006 wegen der nur etwa zweistündigen Anwesenheit der Rechtsanwältin und im Übrigen mit der Begründung nicht zuerkannt, dass die Hauptverhandlung an den weiteren drei Tagen nach Abzug der jeweils etwa einstündigen Mittagspause nicht über fünf Stunden gedauert habe. Die Erinnerung der Rechtsanwältin, die sich nur gegen die Versagung des Längenzuschlags für den 27. Oktober, 1. und 17. November 2006 richtet, hat das Landgericht Berlin mit dem angefochtenen Beschluss verworfen. Die zulässige Beschwerde der Pflichtverteidigerin bleibt ohne Erfolg.
1.
Die angefochtene Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführerin steht für die Sitzungen am 27. Oktober, 1. und 17. November 2006 eine zusätzliche Gebühr gemäß Nr. 4122 VV RVG nicht zu.
Der Längenzuschlag zu der Terminsgebühr wird dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt gewährt, wenn er mehr als fünf (Nrn. 4110, 4116, 4122 VV RVG) oder mehr als acht Stunden (Nrn. 4111, 4117, 4123 VV RVG) an der Hauptverhandlung teilgenommen hat. Er soll dadurch bei langen Sitzungen einen festen Zuschlag erhalten, um den besonderen Zeitaufwand für seine anwaltliche Tätigkeit angemessen zu honorieren, so dass er in diesen Fällen nicht ausschließlich auf die Bewilligung einer Pauschgebühr angewiesen ist (vgl. BT-Drucksache 15/1971, S. 224). Ob und inwieweit bei der Berechnung der Zeit, die der Rechtsanwalt an dem Termin teilnimmt, Sitzungsunterbrechungen abzuziehen sind, ist gesetzlich nicht geregelt und wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Kommentarliteratur nicht einheitlich beurteilt.
a)
Einigkeit besteht zunächst darin, dass unvorhergesehene Pausen oder kürzere Unterbrechungen der Hauptverhandlung, die der Rechtsanwalt nicht zu vertreten hat und die er nicht anderweitig nutzen kann, ihm gebührenrechtlich nicht zum Nachteil gereichen sollen (vgl. KG, Beschluss vom 28. Juni 2006 - 4 Ws 77/05 -; OLG Bamberg, Beschluss vom 13. September 2005 - Ws 676/05 - und OLG Koblenz, Beschluss vom 16. Februar 2006 - 1 Ws 61/06 -, jeweils bei www.burhoff.de zu Nr. 4110 VV RVG; OLG Stuttgart StV 2006, 200; Schmahl in Riedel/Sußbauer, RVG 9. Aufl., VV Teil 4 Abschnitt 1 Rdnr. 64; Burhoff, RVG, Vorbemerkung 4 Rdnr. 63 und Nr. 4110 VV Rdnrn. 6, 8 ff; Hartmann, Kostengesetze 35. Aufl., VV 4110, 4111 Rdnr. 1). Diese Unterbrechungen sollen, obwohl in dieser Zeit die Hauptverhandlung nicht stattfindet und der Rechtsanwalt deshalb an ihr auch nicht teilnehmen kann, bei der Berechnung der Sitzungsdauer nicht abgezogen werden, schon um eine "kleinliche Handhabung" der Gebührenvorschriften zu vermeiden (vgl. OLG Bamberg aaO). Dem schließt sich der Senat an. Er ist zudem der Auffassung, dass dies auch für die Fälle gelten muss, in denen es zu einer längeren Unterbrechung der Hauptverhandlung von einer unbestimmten Dauer kommt, der Rechtsanwalt jedoch in dieser Zeit "auf Abruf" für die Hauptverhandlung zur Verfügung stehen muss und deshalb weiterhin durch das Verfahren in Anspruch genommen wird. Daraus folgt auch, dass für den Sitzungsbeginn auf den in der Ladung angeordneten Zeitpunkt und nicht auf den tatsächlichen Aufruf der Sache abzustellen ist, wenn der Rechtsanwalt pünktlich erschienen ist (vgl. OLG Düsseldorf RVGreport 2006, 170; OLG Karlsruhe RVGreport 2005, 315 ; KG, Beschluss vom 8. November 2005 - 4 Ws 127/05 -; a.A. OLG Saarbrücken NStZ-RR 2006, 191 ; OLG Zweibrücken RVGreport 2006, 170).
b)
Streitig ist, ob die gebührenrechtlich maßgebliche Dauer der Hauptverhandlung grundsätzlich nach der Zeitspanne zwischen dem angeordneten Beginn und dem tatsächlichen Ende der Sitzung ohne Abzug von auch längeren Unterbrechungen - insbesondere von ...