Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 19.03.2013; Aktenzeichen (564) 282 Js 351/12 Ns (119/12))

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. März 2013 aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten, der bulgarischer Staatsangehöriger und der deutschen Sprache nicht mächtig ist, am 30. August 2012 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Seine hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht Berlin nach dreitägiger Hauptverhandlung, durchgeführt am 15. Februar sowie am 8. und 19. März 2013 unter Hinzuziehung eines Dolmetschers für die bulgarische Sprache, mit dem angefochtenen Urteil verworfen.

Nach dessen Feststellungen hat der Angeklagte die deutlich alkoholisierte Zeugin S. am 4. Januar 2012 gegen 22.00 Uhr in der gemeinsamen Wohnung in der P.straße 29 in Berlin, in der sich keine weiteren Personen aufhielten, nach vorangegangener verbaler Auseinandersetzung mit einem ca. 40 cm langen abgebrochenen Stuhlbein aus Metall mit einem Durchmesser von etwa 1 cm mindestens sechsmal auf den linken Oberarm, mindestens zehnmal auf den Rücken und mindestens zweimal auf das rechte Knie geschlagen, um ihr Verletzungen und Schmerzen zuzufügen. Darüber hinaus hat er ihr mit der Hand oder der Faust unter anderem gegen das Kinn geschlagen. Ein weiterer Schlag hat den Kopf der Zeugin getroffen, wobei die Kammer nicht hat feststellen können, ob dieser mit dem Stuhlbein oder mit der Hand oder Faust ausgeführt worden ist. Infolge der Schläge hat die Zeugin kurze Zeit das Bewusstsein verloren und Hämatome am Schädeldach rechts, an der rechten Kinnseite, am linken Oberarm, auf der rechten Kniescheibe, auf dem linken Handrücken, am Gesäß links, am linken seitlichen Unterschenkel sowie am oberen Rücken davon getragen. Sie hat Kopfschmerzen gehabt, und die Beweglichkeit des rechten Knies und der linken Schulter ist wegen der Hämatome mehrere Tage lang eingeschränkt gewesen. Das Stuhlbein, welches die Geschädigte nach den Feststellungen der Kammer aus dem Fenster auf den Hof des Hauses geworfen hat, nachdem der Angeklagte die Wohnung verlassen hatte, ist von einer polizeilichen Zeugin am Folgetag auf dem Hof gefunden worden.

Die Geschädigte S. ist am 7. September 2012 im Alter von 28 Jahren verstorben.

Der Angeklagte hat (wie bereits vor dem Amtsgericht) in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt, die Zeugin S. am Tattag gegen 20.00 Uhr aus Eifersucht mehrere Male mit Händen und Ellenbogen geschlagen und sie auch getreten zu haben. Mit einer Eisenstange habe er sie jedoch nicht geschlagen.

II.

Die gegen das Urteil des Landgerichts gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, hat vorläufigen Erfolg. Sie dringt mit der zulässig erhobenen Verfahrensrüge der Nichtmitwirkung eines Verteidigers trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO durch, so dass es des Eingehens auf die weiteren Verfahrensrügen und auf die Sachrüge nicht bedarf.

1. Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Der Angeklagte war aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten vom 5. Juni 2012 in dieser Sache am 26. Juni 2012 festgenommen worden und hatte sich bis zum 30. August 2012 ununterbrochen in Untersuchungshaft befunden. Ihm war mit Beschluss 27. Juni 2012 Rechtsanwalt Z. gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO als Pflichtverteidiger bestellt worden.

Nachdem der Haftbefehl in dieser Sache mit Verkündung des erstinstanzlichen Urteils aufgehoben worden war, hat sich der Angeklagte bis zum 13. September 2012 für das Ermittlungsverfahren 282 Js 2259/12 der Staatsanwaltschaft Berlin (= 266-14/12 des Amtsgerichts Tiergarten) in Untersuchungshaft befunden. Gegenstand jenes Verfahrens war der auf den Angaben der Zeugin S. basierende Verdacht der Zuhälterei zu ihrem Nachteil (Tatzeitraum: 1. Mai bis 15. Juni 2012). Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte in dieser Sache am 12. September 2012 Anklage erhoben. Mit Beschluss vom 7. Dezember 2012 hat das Amtsgericht Tiergarten - Schöffengericht - die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen erheblicher Zweifel an der Glaubwürdigkeit der verstorbenen Hauptbelastungszeugin abgelehnt und die Anklage nicht zur Hauptverhandlung zugelassen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin hat das Landgericht mit Beschluss vom 19. März 2013 (expediert an den Verteidiger am 25. März 2013) als unbegründet verworfen.

Im Hinblick darauf, dass der Angeklagte mehr als zwei Wochen vor Beginn der Berufungshauptverhandlung aus der Haft entlassen worden war, hat die Vorsitzende der Kammer im Termin am 15. Februar 2013 darauf hingewiesen, dass die Beiordnung nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO "gemäß § 140 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht mehr ...

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