Leitsatz (amtlich)

1. Der mit Namen, Anschrift und Aufenthalt bekannte Gläubiger einer Briefgrundschuld, der eine Löschungsbewilligung erteilt hat, ist nicht allein dadurch unbekannt i.S.d. § 1170 BGB, dass der Grundschuldbrief abhanden gekommen ist.

2. Auch der Eigentümer, dem der Gläubiger einer Grundschuld die Löschungsbewilligung erteilt hat, ist berechtigt, das Aufgebotsverfahren nach § 467 Abs. 2 FamFG zu betreiben, wenn der Grundschuldbrief abhanden gekommen ist.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Mitte (Beschluss vom 07.09.2010; Aktenzeichen 70 II 29/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG Mitte vom 7.9.2010 aufgehoben.

Das Verfahren wird an das AG Mitte zurückverwiesen.

Der Wert das Beschwerdeverfahrens wird auf 85.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 20.10.2009 als eingetragener Eigentümer des im Grundbuch von Mitte Blatt... eingetragenen Wohnungseigentums im Aufgebotsverfahren die Kraftloserklärung des Grundschuldbriefs für die im Grundbuch, Abteilung III unter lfd. Nr. 3 zugunsten der A. Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft eingetragenen Grundschuld über ... DM beantragt.

Er hat durch eidesstattliche Versicherung vom 30.9.2009 sowie weitere Schriftstücke glaubhaft gemacht, die A. Lebensversicherung AG habe als Rechtsnachfolgerin der Gläubigerin mit Brief vom 4.2.2004 die Löschungsunterlagen übersandt, der Grundschuldbrief sei nicht auffindbar und die Ersatzlöschungsbewilligung der Gläubigerin vom 17.8.2009 vorgelegt.

Das AG hat unter dem 5.5. und dem 15.7.2010 Zwischenverfügungen erlassen, unter dem 7.9.2010 den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Dem Antragsteller fehle als Eigentümer die Berechtigung, das Aufgebotsverfahren nach § 467 FamFG zu betreiben, da insoweit nur der Gläubiger antragsberechtigt sei.

Die angeregte Antragsumstellung in einen Antrag auf Durchführung eines Gläubigeraufgebotsverfahrens nach § 447 ff. FamFG sei ausdrücklich nicht erfolgt, obwohl vorliegend der Fall eines unbekannten Gläubigers vorliege, in welchen allein dieses Verfahren gegeben sei.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er seinen Antrag auf Durchführung des Aufgebotsverfahrens weiter verfolgt.

II. Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere statthaft und rechtzeitig eingelegt worden, §§ 58, 63 FamFG.

III. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Zurückverweisung an das AG.

1. Nach § 1162 BGB kann der Grundschuldbrief, der abhanden gekommen oder vernichtet ist, im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt werden.

Dieses Verfahren ist möglich, wenn - wie hier - der Grundschuldgläubiger bekannt ist und lediglich der Brief abhanden gekommen ist.

Rechtsnachfolger des eingetragenen Grundschuldgläubigers (A. Lebensversicherung AG) ist - wie durch notariell beglaubiget Handelsregisterauszüge nachgewiesen - die A. Lebensversicherung AG, in 5... K., die hinsichtlich des Grundpfandrechts die Löschungsbewilligung erteilt und dem Antragsteller mit Schreiben vom 8.9.2010 die Ersatzlöschungsbewilligung vom 17.8.2009 übersandt hat.

Es liegt hier - entgegen der Auffassung des AG auf S. 2 des angefochtenen Beschlusses - kein Fall eines unbekannten Gläubigers vor.

Der mit Namen, Anschrift und Aufenthalt bekannte Gläubiger einer Briefgrundschuld, der eine Löschungsbewilligung erteilt hat, ist nicht allein dadurch "unbekannt" i.S.d. § 1170 BGB, dass der Grundschuldbrief abhanden gekommen ist. Denn in einem solchen Fall kann ausgeschlossen werden, dass das Recht in Wahrheit einem anderen zusteht.

Auch aus der Begründung der Entscheidung des BGH v. 29.1.2009 - V ZB 140/08 - (NJW-RR 2009, 660 = MDR 2009, 558 = Rpfleger 2009, 325) oder der des KG vom 25.11.1969 - 1 W 7164/69 - OLGZ 1970, 323, ist kein anderes Ergebnis abzuleiten, da diese Beschlüsse jeweils nachhaltig andere Sachverhalte betreffen.

2. Entgegen der Auffassung des AG im angefochtenen Beschluss sowie in den Zwischenverfügungen vom 5.5.2010 und vom 15.7.2010 fehlt dem Eigentümer nicht in jedem Falle das Recht, nach § 467 FamFG (§ 1004 ZPO a.F.) das Briefaufgebotsverfahren zu beantragen § 467 Abs. 2 FamFG bestimmt, "bei anderen Urkunden ist derjenige zur Stellung des Antrags berechtigt, der das Recht aus der Urkunde geltend machen kann".

Das ist zwar grundsätzlich der Grundpfandrechtsgläubiger.

Der Eigentümer, dem der Gläubiger eine Löschungsbewilligung oder löschungsfähige Quittung erteilt hat, ist jedoch ebenfalls berechtigt, das Verfahren zu beantragen.

Das war seit langem für das alte Recht des § 1004 ZPO a.F. anerkannt (vgl. LG Flensburg, SchlHA 1969, 200; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, 2002, § 1162 Rz. 2; Zöller/Geimer, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 1003 Rz. 2; § 1004 Rz. 2).

Es gilt unstreitig nach wie vor für die gleichlautende neue Vorschrift des § 467 FamFG (Bumiller/Harders, FamFG, 9. Aufl. 2009, § 467 Rz. 3; Keidel/Giers, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 467 Rz. 2; Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 2. Aufl. 2010, § 467 Rz. 2; Zöller/Geimer, ZPO,...

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