Entscheidungsstichwort (Thema)
Spannungsverhältnis zwischen Beschleunigungsgebot und Verteidigung durch Verteidiger des Vertrauens. Terminierung in Haftsachen mit mehreren Angeklagten. keine besondere Haftprüfung bei einstweiliger Unterbringung Jugendlicher
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Terminierung in Verfahren mit mehreren in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten kann es mit Blick auf das haftrechtliche Beschleunigungsgebot erforderlich sein, nicht auf jede Verhinderung einzelner Verteidiger Rücksicht zu nehmen; in Einzelfällen kann dem Vorsitzenden für eine nähere Terminsabsprache mit allen Verteidigern der nötige Spielraum fehlen und die Bestimmung der Hauptverhandlungstermine ohne vorherige Absprache geboten sein.
2. Der Verteidiger, der in einer Haftsache seine Beiordnung zum Pflichtverteidiger beantragt, hat vorher zu prüfen, ob er dem Verfahren voraussichtlich mit seiner Arbeitskraft weitestgehend zur Verfügung stehen kann und das Gericht jedenfalls auf bereits konkret absehbare Verhinderungen hinzuweisen.
3. Das besondere Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 StPO gilt nicht für die einstweilige Unterbringung Jugendlicher gemäß §§ 72 Abs. 4, 71 Abs. 2 JGG.
Normenkette
StPO §§ 120, 213; JGG § 72 Abs. 4, § 71 Abs. 2
Tenor
Die Untersuchungshaft der Angeklagten dauert fort.
Eine etwa erforderlich werdende weitere Haftprüfung durch das Kammergericht findet betreffend die Angeklagten Ra, C und X in drei Monaten und hinsichtlich des Angeklagten Ru in einem Monat statt.
Bis zu diesen Zeitpunkten wird die Haftprüfung betreffend die Angeklagten Ra, C und X dem Landgericht Berlin und bezüglich des Angeklagten Ru dem Amtsgericht Tiergarten übertragen.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Berlin legt den Angeklagten J Ra, C und X mit ihrer am 4. Oktober 2016 zum Landgericht Berlin - Jugendkammer - erhobenen, gegen insgesamt sieben Personen gerichteten Anklage zur Last, als Mitglieder einer Bande gemeinschaftlich in zum Teil wechselnder Beteiligung (mehrheitlich Einbruchs-) Diebstähle begangen zu haben, wobei dem Angeklagten Ra neun, dem Angeklagten C elf und dem Angeklagten X sechs derartige Taten vorgeworfen werden. Darüber hinaus wird dem Angeklagten J Ra zur Last gelegt, zwei Fälle des schweren Raubes verübt zu haben, dem Angeklagten C eine solche weitere Tat. Dem Angeklagten Ru wird vorgeworfen, in zwei Fällen - den beiden letzten der hier angeklagten Taten - täterschaftlich an Einbruchsdiebstählen beteiligt gewesen zu sein, ohne der Bande anzugehören. Wegen der Einzelheiten der Tatvorwürfe nimmt der Senat auf den Inhalt der Anklageschrift vom 28. September 2016 Bezug.
Die Angeklagten sind am 9. Mai 2016 vorläufig festgenommen worden und befinden sich seit dem Folgetag ununterbrochen in Untersuchungshaft, wobei zunächst bei allen Angeklagten jeweils ein Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 10. Mai 2016 (352 Gs 1227/16) die Grundlage bildete. Während bei dem Angeklagten Ru noch immer der amtsgerichtliche Haftbefehl die Haftgrundlage ist, hat die Jugendkammer die Haftbefehle des Amtsgerichts bei dem Angeklagten J Ra am 18. Oktober 2016 und bei den Angeklagten C und X am 20. Oktober 2016 durch neue Haftbefehle ersetzt.
Das Landgericht hat alsbald nach dem Eingang der Sache und Prüfung der Anklageschrift unter dem 6. Oktober 2016 deren Übersetzung in die albanische Sprache und - soweit dies nicht erforderlich war - deren Zustellung unter Bestimmung einer Erklärungsfrist von zehn Tagen, die angesichts des Verfahrensumfangs sicher nicht zu lang bemessen war, veranlasst. Darüber hinaus hat der Kammervorsitzende die beteiligten Jugendgerichtshilfen auf die haftbedingte Dringlichkeit der Sache hingewiesen. Zudem sind den Verteidigern zu einem dem Senat nicht bekannten Zeitpunkt mögliche Hauptverhandlungstermine mit Beginn am 8. November 2016 mitgeteilt worden. In der Folgezeit erwies sich jedoch, dass dieser frühe Beginn der Hauptverhandlung aufgrund anderer Hauptverhandlungen vor der Kammer, die sich unvorhergesehen ausweiteten, aber auch wegen terminlicher Schwierigkeiten der Verteidiger nicht möglich war.
Unter dem 27. Oktober 2016 hat die Jugendkammer, die in personengleicher Besetzung auch die Aufgaben einer Hilfsstrafkammer wahrzunehmen hat, die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus für erforderlich erachtet. Mit seiner Verfügung von diesem Tag hat der Kammervorsitzende zudem den Beginn der Hauptverhandlung, die auch gegen die Mitangeklagten M Ra und I durchgeführt werden wird, auf den 29. November 2016 bestimmt und insgesamt 22 Termine bis zum 2. März 2017 festgelegt.
Mit Beschluss vom 8. November 2016 hat das Landgericht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden; soweit der Verteidiger des Angeklagten C beanstandet, dass der Kammervorsitzende am 27. Oktober 2016 von einer Terminierung gesprochen habe, die "vorbehaltlich der in Kürze zu treffenden Eröffnungsentscheidung" vorzunehmen sei, während die Eröffnung in Wahrheit schon am 26. Oktober beschlossen worden sei, folgt seine - aus sei...