Leitsatz (amtlich)

Der Kläger hat kein Wahlrecht, ob er nach Eintritt eines erledigenden Ereignisses nach Rechtshängigkeit die Klage für erledigt erklärt oder (zwecks Vermeidung einer Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO) einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch geltend macht.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 02.11.2017; Aktenzeichen 12 O 530/16)

 

Tenor

1.

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Streitwertbeschluss des Landgerichts

Berlin vom 02.11.2017 -12 O 530/16- teilweise abgeändert:

Der Streitwert wird auf 34.198,32 EUR und ab dem 08.06.2017

auf bis 4.000,00 EUR festgesetzt.

2.

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostentragungsbeschluss des

Landgerichts Berlin vom 02.11.2017 -12 O 530/16- teilweise abgeändert:

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 86 % und

die Klägerin 14 % zu tragen.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beklagte 73 % und

die Klägerin 27 % zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.203,30 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Streitwertbeschwerde ist begründet. Die Klägerin hat in Reaktion auf die unstreitige Räumung am 31.03.2017 mit Schriftsatz vom 08.06.2017 und somit vor dem Termin am 02.11.2017 die Klageänderung erklärt und beantragt, "festzustellen, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat". Nicht anders als eine (hier allerdings in diesem Zeitpunkt gerade nicht gewollte, s.u.) einseitige Erledigungserklärung bemisst sich der Wert dieses Antrags nach dem Kosteninteresse, also nach der Summe der bis zum Zeitpunkt der Antragsumstellung entstandenen Kosten (vgl. zur einseitigen Erledigungserklärung BGH NJW 2015, 3173 Tz. 3). Auch die Klägerin stimmt dem in der Beschwerdeerwiderung ausdrücklich zu.

Das Kosteninteresse (ausgehend von drei Gerichtsgebühren und den beiderseitigen Verfahrensgebühren, jeweils nach einem Wert von 34.198,32 EUR) beträgt 3.801,80 EUR, somit bis 4.000,00 EUR.

II. Mit der nach §§ 91 a Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 ZPO zulässigen sofortige Beschwerde begehrt die Beklagte, dass ihr die Kosten des Rechtsstreits nicht vollständig auferlegt werden, sondern dass sie gegeneinander aufgehoben werden. Das Rechtsmittel ist teilweise begründet.

1) Nachdem die Parteien den Rechtsstreit im Termin am 02.11.2017 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat das Landgericht zu Recht gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO über die Kosten durch Beschluss nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands entschieden.

a) Grundsätzlich entspricht es billigem Ermessen, der Partei, die ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses unterlegen wäre, die Kosten aufzuerlegen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist gerechtfertigt, wenn sich die Parteien in einem außergerichtlichen Vergleich auf eine Kostenaufhebung verständigt haben. Das nach § 91 a ZPO entscheidende Gericht ist zwar daran nicht gebunden, kann jedoch bei seiner nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung die von den Parteien als angemessen erachtete Kostenregelung berücksichtigen (s. BGH, Beschl. v. 01.02.2017 -VII ZR 125/14; BGH NJW 2007, 835 Tz. 17).

Ohne Erfolg macht die Beschwerde geltend, dass nach billigem Ermessen vorliegend die Kosten nach § 98 ZPO gegeneinander aufzuheben seien, da die Parteien am 15. bzw. 31.03.2017 einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen hätten, den sie abweichend von der Regel des § 154 Abs. 2 BGB ohne beiderseitige Unterzeichnung der gewechselten Urkundsentwürfe in Vollzug gesetzt hätten, und weil es unstreitig keine von § 98 ZPO abweichende Vereinbarung gegeben habe.

Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass es zum Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs nicht gekommen ist. Unstreitig haben die Parteien am 15.03.2017 - nachdem die Räumungsklage am 19.12.2016 zugestellt worden war - darüber verhandelt, dass die Beklagte die Räume zum 31.03.2017 zurückgibt, noch eine Abstandszahlung erbringt sowie Renovierungen ausführt bzw. abgilt, und dass der Prozess sodann durch Klagerücknahme beendet werden könne. Die Parteien haben jedoch eine Beurkundung i.S. von § 154 Abs. 2 BGB verabredet, wie sich daraus ergibt, dass die Klägerin mit eMail vom 21.03.2017 (K 8) eine solche forderte und die Beklagte mit eMail vom selben Tag eine von ihr unterzeichnete Urkunde vorab übersandte (K 9). Anlässlich der Übersendung des Entwurfs trat sodann ein Dissens über den Vertragsinhalt zutage, der (gerade) die Frage der Kostentragung der Beklagten und die Berechnung der Abstandszahlung betraf, und zur Übersendung einer Gegenurkunde der Klägerin (K 12) führte. Entsprechend der Regel des § 154 Abs. 2 BGB ist damit ein wirksamer Vergleich nicht geschlossen worden. Die Parteien haben einen mündlichen Vergleich auch nicht einverständliche "in Vollzug" gesetzt und damit die Beurkundungsabrede stillschweigend aufgehoben (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 154 Rn. 5). Dem steht bereits entgegen, dass es nicht nur an der Unterzeichnung feh...

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