Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 17.12.2009; Aktenzeichen 140 F 4676/09) |
Tenor
Die befristete Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des AG Tempelhof/Kreuzberg vom 17.12.2009 - 140 F 4676/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Wegen der erstinstanzlichen Feststellungen wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Die Mutter erstrebt mit ihrer befristeten Beschwerde die Abänderung der angefochtenen Entscheidung und eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sie. Sie behauptet, dass sie sich in der Vergangenheit überwiegend um die Erziehung und Versorgung des Kindes gekümmert habe. Das Kind habe schon deshalb eine engere Bindung zu ihr. Entgegen der Darstellung des Vaters habe sich das Kind nicht überwiegend in seinem Haushalt aufgehalten, sondern seinen Lebensmittelpunkt in ihrem Haushalt gehabt. Dass das Kind im väterlichen Haushalt polizeilich gemeldet gewesen sei, beruhe nicht zuletzt allein auf steuerrechtlichen Erwägungen. Das AG habe es versäumt, den tatsächlichen Willen des Kindes zu erforschen. Es habe sich dabei nicht allein auf die Erklärungen der Verfahrenspflegerin beschränken dürfen. Schließlich seien bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht auch rein praktische Erwägungen mit einzubeziehen. Während sie im Schichtdienst arbeite, könne der Vater auf Grund seiner selbständigen Tätigkeit seine Zeit flexibler einteilen. Es wäre daher für ihn leichter, Umgangskontakte wahrzunehmen, wenn A in ihrem Haushalt wohnen würde.
Die Mutter beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind A, geboren am ... - unter Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Übrigen - auf sie zu übertragen.
Der Vater und die Verfahrenspflegerin sind dem Antrag der Mutter entgegengetreten. Sie sind weiterhin der Ansicht, dass eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn, den Vater, eher dem Kindeswohl entspreche. Die Verfahrenspflegerin verweist zur Begründung auf die von der Sachverständigen festgestellte eingeschränkte Bindungstoleranz der Mutter. Hingegen komme dem geäußerten Willen des Kindes auch angesichts ihres geringen Alters kein ausschlaggebendes Gewicht zu. Hierbei sei zu würdigen, dass A sich zuletzt im Haushalt der Mutter dann aufgehalten habe, wenn diese Freizeit hatte und sich mit A habe beschäftigen können. Der geäußerte Wunsch des Kindes, das mit zunehmendem Alter die zwischen den Eltern bestehenden Spannungen wahrnehme, sei zudem durch die Mutter beeinflusst.
Der Senat hat am 25.2.2010 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Fragen beschlossen, zu welchem Elternteil das Kind A die engeren Bindungen aufweist und welchem Elternteil im Interesse des Kindeswohls das Aufenthaltsbestimmungsrecht am besten zu übertragen ist. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Psychologin B vom 14.9.2010 Bezug genommen. Die Sachverständige hat das von ihr erstattete Gutachten im Anhörungstermin vor dem Senat mündlich erläutert und erklärt, dass sie auf Grund der im Anhörungstermin gewonnenen weiteren Erkenntnisse zur Bindungstoleranz der Mutter an ihrer abschließenden Empfehlung im schriftlichen Gutachten nicht festhalte und sich nunmehr für eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater ausspreche.
Die Eltern und das Kind A sind durch den Senat nochmals persönlich angehört worden.
II. Die befristete Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des AG Tempelhof/Kreuzberg ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 621e Abs. 1 und 3 Satz 2 ZPO in Verbindung mit den §§ 517, 520, 621 Abs. 1 Nr. 1, 621a Abs. 1 Satz 1 ZPO, Art. 111 Abs. 1 FGG-RG. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.
1. Nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB kann einem Elternteil die elterliche Sorge bzw. ein Teil davon allein übertragen werden, wenn die Kindeseltern nicht nur vorübergehend getrennt voneinander leben und wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entsprechen. Da die Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind jeweils für sich in Anspruch nehmen und keine einvernehmliche Verständigung über den Lebensmittelpunkt von A zwischen ihnen möglich ist und das bisher praktizierte Wechselmodell nicht fortgeführt werden kann, ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht einem Elternteil zur alleinigen Ausübung zu übertragen.
Bei der Frage, welchem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen ist, ist derjenigen Regelung der Vorzug zu geben, von der zu erwarten ist, dass sie im Sinne des Kindeswohls die bessere Lösung darstellt. Bei der prognostischen Beurteilung sind die folgenden Gesichtspunkte bedeutsam, wobei die Gewichtung im konkreten Fall dem Gericht überlassen ist: Förderungsgrundsatz und Erziehungseignung, Bindungstoleranz der El...