Nachgehend

BGH (Beschluss vom 31.01.2017; Aktenzeichen X ZB 10/16)

 

Tenor

Das Verfahren wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner schrieb im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb die Vergabe von notärztlichen und ärztlichen Dienstleistungen bei der Berliner Feuerwehr für insgesamt 17 Versorgungsregionen in Berlin aus. Die Antragstellerin gab für das Versorgungsgebiet L.(Los 16) ein Angebot zu einem jährlichen Preis von 478.456,99 EUR ab. Mit Vorabinformationen vom 22.5.2015 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass auf ihr Angebot der Zuschlag nicht erteilt werden könne. Es sei beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot der ...- ...GmbH mit einem jährlichen Angebotspreis von 364.000 EUR zu erteilen.

Mit ihrem Nachprüfungsantrag rügt die Antragstellerin u.a., das Angebot der Mitbieterin ...- ...GmbH sei ungewöhnlich niedrig im Sinne von § 16 Abs. 6 S. 1 VOL/A und hätte ausgeschlossen werden müssen. Durch Beschluss vom 6.8.2015 hat die Vergabekammer des Landes Berlin den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen, und zwar in Ansehung der vorzitierten Rüge mit der Begründung, dass die Vorschrift des § 16 Abs. 6 S. 1 VOL/A nicht den Bieter schütze. Die Entscheidung ist der Antragstellerin am 12.8.2015 zugestellt worden.

Nachdem die Antragstellerin ursprünglich begehrt hatte, unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer des Landes Berlin das Vergabeverfahren zurückzuversetzen und unter Vornahme einer Eignungsprüfung die Zuschlagswertung zu wiederholen, der Zuschlag aber mit Schreiben vom 10.9.2015 erteilt worden war, hat sie das Verfahren insoweit für erledigt erklärt und beantragt nunmehr, gemäß § 123 Sätze 3 und 4 i.V.m. § 114 Abs. 2 S. 2 GWB festzustellen, dass im Rahmen des Vergabeverfahren ein Vergaberechtsverstoß vorlag.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Ziffer II, insbesondere A 2a) der Gründe der angefochtenen Entscheidung der Vergabekammer Bezug genommen.

II. Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB für eine Divergenzvorlage liegen vor.

1. Eine Divergenzvorlage erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wenn das vorlegende Oberlandesgericht seiner Entscheidung als tragende Begründung einen Rechtssatz zugrunde legen will, der sich mit einem die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts tragenden Rechtssatz nicht in Einklang bringen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 08.2.2011 - X ZB 4/10 -, Rn. 9, juris; BGH, Beschluss vom 20.3.2014 - X ZB 18/13 -, Rn. 10, juris). So verhält es sich hier.

2. Der Senat vertritt die Auffassung, dass die Antragstellerin, soweit sie eine Verletzung von § 16 Abs. 6 VOL/A rügt, offensichtlich nicht in ihren Rechten nicht verletzt sei, weil dieser Vorschrift im vorliegenden Fall keine bieterschützende Wirkung zukommt.

a) Offen bleiben kann, ob § 16 Absatz 6 VOL/A ausnahmslos dem Schutz des Auftraggebers dient, weil dieser ein Interesse daran hat, nicht mit einer Zuschlagserteilung auf ein unauskömmliches Angebot Gefahr zu laufen, dass der Auftragnehmer in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und den Auftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß, insbesondere nicht mängelfrei zu Ende führt oder aber in Nachforderungen auszuweichen versucht (so: OLG Rostock, Beschluss vom 10.5.2000 - 17 W 3/00 -, Rn. 90, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 15.10.2009 - 1 Verg 9/09 -, Rn. 20, juris).

b) Nach der - maßgeblich vom OLG Düsseldorf (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.6.2002 - Verg 18/02, VII-Verg 18/02 -, NZBau 2002, 627) geprägten - herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung der Vergabesenate der Oberlandesgerichte, der sich anzuschließen der Senat beabsichtigt, "entfaltet der Ausschlussgrund eines Missverhältnisses zwischen Preis und Leistung allerdings grundsätzlich keinen bieterschützenden Charakter. Insbesondere für den konkurrierenden Mitbewerber erschöpft sich diese Regelung grundsätzlich in einem bloßen Rechtsreflex. Auf einen Verstoß der Vergabestelle gegen § 19 Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 EG VOL/A kann sich ein konkurrierender Mitbewerber ausnahmsweise nur dann berufen, wenn das Gebot, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu bekämpfen, vom Auftraggeber den Ausschluss des betreffenden Angebots fordert. Dies kann anzunehmen sein, wenn Angebote durch einen ungewöhnlich niedrigen Preis auf eine Marktverdrängung abzielen oder der Auftragnehmer aufgrund seiner unauskömmlichen Preisgestaltung bei der Ausführung des Auftrags voraussichtlich in so große wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten wird, dass er die Ausführung abbrechen muss. Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung ist in den zuletzt genannten Fällen in der begründeten Besorgnis zu erkennen, dass die am Vergabeverfahren beteiligten Wettbewerber, die die Leistung zu einem angemessenen Preis angeboten haben, nicht mehr in die Ausführung des Vertrages eintreten können" (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.10.2012 - VII-Verg 17/1...

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