Leitsatz (amtlich)

Massegläubigern i.S.d. § 55 InsO, die durch einen Erfolg der vom Insolvenzverwalter beabsichtigten Prozessführung ihre Befriedigungsmöglichkeit verbessern, ist es regelmäßig zuzumuten, die Prozesskosten aufzubringen, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO nicht vorliegen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 16.05.2005; Aktenzeichen 25 O 212/05)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 31.5.2005 gegen den Beschluss der Zivilkammer 25 des LG Berlin vom 16.5.2005 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Die gem. §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Nachdem der Antragsteller den Bedenken des LG hinsichtlich der Zulässigkeit der beabsichtigten Klage durch den mit der Beschwerdebegründung eingereichten überarbeiteten Klageentwurf Rechnung getragen hat, hängt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nur noch davon ab, ob die Voraussetzungen gem. § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO vorliegen. Dies hat das LG in dem angefochtenen Beschluss zutreffend verneint. Nach Auffassung des Senats kann es auch Massegläubigern i.S.d. § 55 InsO grundsätzlich zugemutet werden, einen Vorschuss auf die Prozesskosten zu zahlen, wenn sie bei einem erfolgreichen Abschluss des Rechtsstreits mit einer weiter gehenden Befriedigung ihrer Ansprüche aus der Masse rechnen und dadurch einen nicht nur unerheblichen wirtschaftlichen Vorteil erlangen können.

a) Nach der Rechtsprechung des BGH ist wirtschaftlich Beteiligter eines Rechtsstreits i.S.d. § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO jeder Gläubiger, dessen Befriedigungsaussichten sich dadurch konkret verbessern, dass der Insolvenzverwalter in dem Prozess obsiegt (BGH v. 27.9.1990 - IX ZR 250/89, MDR 1991, 334 = ZIP 1990, 1490; v. 9.7.1998 - IX ZA 4/98, MDR 1998, 1248 = NJW 1998, 3124). Diese Definition des BGH erfasst Insolvenz- und Massegläubiger gleichermaßen (OLG Celle v. 13.10.1994 - 3 W 49/94, OLGReport Celle 1995, 177 = ZIP 1994, 1973 [1974]). Zwar wird Massegläubigern die Bevorschussung der Prozesskosten dann nicht zumutbar sein, wenn sie auf das Prozessergebnis nicht angewiesen sind, weil sie ohnehin volle Befriedigung erwarten können, während umgekehrt die einfachen Insolvenzgläubiger dann nicht als wirtschaftlich Beteiligte in Betracht kommen, wenn die vom Insolvenzverwalter geltend gemachte Forderung allenfalls zur Befriedigung der Massegläubiger reicht (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 116 Rz. 10, m.w.N.). Eine darüber hinausgehende Privilegierung von Massegläubigern erscheint jedoch sachlich nicht gerechtfertigt (i.E. ebenso OLG Celle v. 13.10.1994 - 3 W 49/94, OLGReport Celle 1995, 177 = ZIP 1994, 1973 [1974], OLGReport Celle 2001, 215; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 116 Rz. 10; Wax in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 116 Rz. 17; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 116 Rz. 9; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, II Rz. 64).

b) Soweit die Gegenmeinung (BFH MV 2005, 380 [381]; FG Brandenburg ZInsO 2004, 53 f.; OLG Naumburg ZInsO 2002, 586 [587]) im Anschluss an eine in der Literatur vertretene Auffassung (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 116 Rz. 10b) meint, Massegläubigern i.S.d. § 55 InsO sei es nicht zuzumuten, die Prozesskosten aufzubringen, weil ihre Ansprüche auf Vorgängen zu Gunsten der Insolvenzmasse beruhen, die sich zum Vorteil der Insolvenzgläubiger auswirken und sich ohne diese Bevorzugung niemand auf Geschäfte mit dem Insolvenzverwalter einlassen würde, vermag dies nicht zu überzeugen.

Wer sich auf ein Rechtsgeschäft mit einem Insolvenzverwalter einlässt, wird dies in aller Regel nicht aus gemeinnützigen Gründen tun, sondern in Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen. Dem Umstand, dass dies mittelbar auch den Insolvenzgläubigern zugute kommen kann, hat der Gesetzgeber dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass er die Massegläubiger ggü. den Insolvenzgläubigern in § 53 InsO ein Recht auf Vorwegbefriedigung eingeräumt hat. Eine weitere Privilegierung von Massegläubigern erscheint sachlich nicht als gerechtfertigt.

Entgegen der Auffassung von Zöller/Philippi (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 116 Rz. 106) steht auch nicht zu befürchten, dass sich ohne eine Bevorzugung bei der Prozessführung niemand auf Geschäfte mit dem Insolvenzverwalter einlassen wird. Dagegen spricht schon, dass die betroffenen Kreise sich in der Vergangenheit offenbar nicht davon haben abhalten lassen, Geschäfte mit dem Insolvenzverwalter abzuschließen, obwohl bis zur Veröffentlichung der Entscheidung des OLG Naumburg in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend die Auffassung vertreten wurde, dass auch Massegläubigern zuzumuten ist, die Prozesskosten aufzubringen (vgl. die oben stehenden Nachweise).

Im Übrigen würde eine Auswirkung der hier vertretenen Gesetzesauslegung auf das Verhalten der beteiligten Kreise voraussetzen, dass der durchschnittliche Massegläubiger die Vorschrift des § 116 ZPO und die hierzu vertr...

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