Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligung von Massegläubigern an der Aufbringung von Prozesskosten

 

Leitsatz (amtlich)

Auch Massegläubiger können grundsätzlich wirtschaftlich Beteiligte i.S.v. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO sein, denen die Aufbringung von Prozesskosten zuzumuten ist, wenn sie im Erfolgsfall wirtschaftliche Vorteile aus der Prozessführung erlangen.

 

Normenkette

ZPO § 116 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Stade (Beschluss vom 06.03.2013; Aktenzeichen 2 O 39/13)

 

Tenor

Die am 18.3.2013 vorab per Telefax bei dem LG Stade eingegangene als "Beschwerde" bezeichnete sofortige Beschwerde des Klägers vom 15.3.2013 gegen den am 8.3.2013 zugestellten Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Stade vom 6.3.2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der J. B. GmbH. Er begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung eines Anspruchs aus Dienstvertrag und ungerechtfertigter Bereicherung i.H.v. insgesamt 17.871,71 EUR.

Der Kläger hat am 17.4.2012 Masseunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO angezeigt. Zur Massesituation hat er ausgeführt, der liquide Massebestand betrage 224.453,55 EUR. Nach Abzug der Gerichtskosten und der Vergütung des Insolvenzverwalters verblieben hiervon 91.769,27 EUR. Dem stünden Masseverbindlichkeiten i.H.v. 112.610 EUR gegenüber.

Das LG hat durch Beschluss vom 6.3.2013 Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt, die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO seien nicht ausreichend dargelegt. Insbesondere habe der Kläger nicht dargelegt, dass es den wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten sei, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.

Gegen diesen ihm am 8.3.2013 zugestellten Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner am 18.3.2013 vorab per Telefax bei dem LG Stade eingegangenen "Beschwerde". Er macht geltend, Massegläubigern sei es grundsätzlich nicht zuzumuten, die Kosten eines Prozesses vorzufinanzieren. Insolvenzgläubigern sei die Vorfinanzierung der Prozesskosten nicht zuzumuten, weil auch im Falle eines Obsiegens in dem beabsichtigten Rechtsstreit keine Masse zur Verteilung an die Insolvenzgläubiger vorhanden sein werde. Nähere Angaben zu den Forderungen der Masse- und Insolvenzgläubiger hat der Kläger nicht gemacht.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die als sofortige Beschwerde auszulegende "Beschwerde" des Klägers gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des LG ist gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO i.V.m. §§ 567 Satz 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg.

Einer Partei kraft Amtes ist gem. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Diese Voraussetzungen sind, wie das LG im Ergebnis zu Recht angenommen hat, nicht ausreichend dargelegt.

1. Zwar ist aufgrund der angezeigten Masseunzulänglichkeit davon auszugehen, dass die Kosten des Rechtsstreits nicht aus dem verwalteten Vermögen aufgebracht werden können (BGH ZinsO 2007, 1225, juris, Rz. 4 ff.; ZinsO 2008, 378, juris, Rz. 6). Auch ist davon auszugehen, dass den Insolvenzgläubigern nicht zugemutet werden kann, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Denn selbst im Falle einer vollständige Realisierung der mit der Klage geltend gemachten Forderung bliebe die Insolvenzmasse hinter den Masseverbindlichkeiten zurück; auf die Insolvenzgläubiger entfiele keine Quote.

2. Jedoch lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen, dass den Massegläubigern nicht zuzumuten ist, die Kosten der beabsichtigten Prozessführung aufzubringen.

a) Ob Massegläubiger wirtschaftlich Beteiligte i.S.d. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind, denen die Aufbringung von Prozesskosten zuzumuten ist, ist umstritten.

aa) Der BGH erachtet es als grundsätzlich möglich, Massegläubigern die Aufbringung von Prozesskosten zuzumuten (BGH ZinsO 2005, 877, juris, Rz. 9). Das soll allerdings dann nicht gelten, wenn sich die Altmassegläubiger von einem Prozesserfolg nichts oder nur wenig versprechen können (BGH ZinsO 2007, 1225, juris, Rz. 9). Auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur wird vertreten, dass Massegläubiger zur Finanzierung eines Rechtsstreits herangezogen werden können, wenn sie im Erfolgsfalle wirtschaftliche Vorteile aus der Prozessführung erlangen (OLG Celle, 4. OLG Celle ZIP 2009, 933, juris, Rz. 23; KG ZinsO 2005, 992, juris, Rz. 3; HambKomm/Kuleisa, 4. Aufl., § 80 InsO Rz. 52; Jaeger/Windel, InsO, § 80 Rz. 172, § 208 Rz. 114; MünchKomm/InsO/Ott/Vuia, 2. Aufl., § 80 Rz. 89; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 80 Rz. 120).

bb) Der BFH (ZinsO 2005, 1216, juris, Rz. 11, ohne Begründung allein u...

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