Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähigkeit von Kosten bei rechtsmissbräuchlicher Mehrfachverfolgung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Erstattungsfähigkeit von Kosten bei rechtsmissbräuchlicher Mehrfachverfolgung.

2. Die Klägerin kann die Kosten der Rechtsverfolgung im vorliegenden Rechtsstreit nicht in voller Höhe erstattet verlangen, sondern nur anteilig, also unter Berücksichtigung der Kosten auch der anderen Parallelprozesse.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 102 O 50/00)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 17.11.2000 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers bei dem LG Berlin vom 31.10.2000 – Az. 102 O 50/00 – teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Nach dem rechtskräftigen Urteil des LG Berlin vom 5.5.2000 werden die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten anderweit auf 696,59 DM (in Worten: sechshundertsechsundneunzig 59/100 Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen seit dem 26.10.2000 festgesetzt.

2. Die weitergehende Beschwerde wird nach einem Wert bis 700 DM zurückgewiesen.

3. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Klägerin zu 68 % und die Beklagte zu 32 % nach einem Wert bis 2.200 DM zu tragen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers bei dem LG Berlin ist zulässig (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO). Sie hat in der Sache insoweit Erfolg, als die Beklagte lediglich zur Erstattung des aus der Beschlussformel zu Ziff. 1 ersichtlichen Betrages verpflichtet ist.

Die Klägerin hat der Beklagten wettbewerbsrechtliche Verstöße vorgeworfen. Weitere zehn Klägerinnen, nämlich neun an anderen Standorten ansässige … Gesellschaften sowie die … GmbH, die sämtlichst in der …-Gruppe verbunden sind, haben die Beklagte in jeweils getrennten Rechtsstreitigkeiten ebenfalls in Anspruch genommen. Dabei wurden in allen Prozessen Feststellungs- und Auskunftsbegehren (sowie in zwei Verfahren Abmahnkosten) geltend gemacht, die durch denselben Prozessbevollmächtigten auf identische Begründungen gestützt wurden. Die Klägerin kann die Kosten der Rechtsverfolgung im vorliegenden Rechtsstreit nicht in voller Höhe erstattet verlangen, sondern nur anteilig, also unter Berücksichtigung der Kosten auch der anderen Prozesse.

Dem steht zunächst nicht die durch das Prozessgericht getroffene Kostengrundentscheidung entgegen; denn diese Entscheidung ist nur die Grundlage für die Kostenfestsetzung und besagt nichts darüber, ob nach § 91 Abs. 1 ZPO Kosten als notwendig zu erstatten sind und ob das Erstattungsverlangen im Einzelfall rechtsmissbräuchlich ist (KG, 1. Zivilsenat, JurBüro 1989, 1698; vgl. OLG München JurBüro 1987, 1222; v. 26.3.1987 – 11 W 976/97, MDR 1987, 677). Nach überwiegender Meinung, der sich der Senat anschließt, ist deshalb im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen, ob das Geltendmachen von auf einem einheitlichen Lebensvorgang beruhenden Ansprüchen gegen mehrere Personen oder auch von mehreren Ansprüchen gegen eine Person in getrennten Verfahren ungerechtfertigt erhöhte Kosten verursacht hat (KG JurBüro 1989, 1698 m.w.N.; OLG Koblenz JurBüro 1987, 1228, v. 7.8.1986 – 14 W 605/86, 612/86, 613/86, 614/86, 615/86, MDR 1987, 676 = AnwBl. 1988, 654; AnwBl. 1983, 271; OLG Düsseldorf v. 20.5.1986 – 9 WF 85/86, 9 WF 104/86, FamRZ 1986, 824 f.; vgl. Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., 2001, § 91, „Mehrheit von Prozessen”; a.A. OLG Hamm JurBüro 1981, 448; OLG Bamberg JurBüro 1983, 130). Soweit sich die Klägerin für die gegenteilige Auffassung auf den Beschluss des OLG Karlsruhe vom 9.2.2001 – 6 W 1 15/00 – bezieht, rechtfertigt die dort vertretene Ansicht hier keine andere Sichtweise. Denn bei dem zu beurteilenden Fall war bereits im Erkenntnisverfahren die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit der Mehrfachverfolgung geprüft worden. Das OLG Karlsruhe hat aus diesem Grunde die Möglichkeit einer erneuten Prüfung dieser Frage im Kostenfestsetzungsverfahren abgelehnt. Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Beklagte aber in sämtlichen Prozessen ein Anerkenntnis abgegeben, welches, ohne dass eine weitere Prüfung der Rechtslage durch das Prozessgericht erfolgt, zu einer entsprechenden Verurteilung gem. § 307 Abs. 1 ZPO führt.

Nach Ansicht des Senats war das getrennte Vorgehen hier rechtsmissbräuchlich. Eine Partei hat grundsätzlich die Wahl, ob sie die Ansprüche aus einem einheitlichen Lebensvorgang gegen eine Person oder gegen mehrere Personen in einem einzigen oder in mehreren Verfahren geltend macht. Deshalb ist die Partei grundsätzlich auch nicht gehalten, ihre Ansprüche in einem einzigen Prozess zu verfolgen, um der Gefahr zu entgehen, dass ihr später das prozessuale Vorgehen zur Last gelegt und deshalb Erstattungsansprüche abgelehnt werden (KG JurBüro 1989, 1698). Dieses Wahlrecht steht auch mehreren Klägern zu, die Ansprüche gegen eine Beklagte geltend machen. Allerdings besteht die Möglichkeit zur prozessualen Gestaltung nicht uneingeschränkt; denn auch das Prozessrechtsverh...

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