Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtverteidigerwechsel bei Vollzug der Sicherungsverwahrung
Leitsatz (amtlich)
Die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 463 Abs. 8 StPO gilt auch für jedes weitere Verfahren, solange sie nicht aufgehoben wird.
Die Zulässigkeit eines Pflichtverteidigerwechsels im Rahmen des § 463 Abs. 8 StPO ist außerhalb der Fallgestaltungen der Rücknahme der Bestellung nach § 143 StPO nicht allein daran zu messen, ob ein "wichtiger Grund" vorliegt oder nicht.
Für einen neuen Vollstreckungsabschnitt rechtfertigen - anders als in einem laufenden Abschnitt - weder Kostengesichtspunkte noch Gründe der Prozessökonomie die Ablehnung eines Beiordnungsantrages eines neuen Verteidigers.
Normenkette
StPO § 463 Abs. 8
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 21.06.2019; Aktenzeichen 70 Js 588/04 (29105) V - 589 StVK 138/19) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 21. Juni 2019 aufgehoben.
2. Unter Entpflichtung von Rechtsanwalt F wird dem Beschwerdeführer auf seinen Antrag Rechtsanwalt O gemäß § 463 Abs. 8 StPO zum Pflichtverteidiger bestellt.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin.
Gründe
I.
Das Landgericht Berlin verurteilte den Beschwerdeführer am 21. November 2005 (rechtskräftig seit dem 29. Juni 2006) wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Geiselnahme, schwerem Raub und vorsätzlicher Körperverletzung, wegen Geiselnahme in Tateinheit mit Vergewaltigung, räuberischer Erpressung und vorsätzlicher Körperverletzung, wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten und ordnete die anschließende Sicherungsverwahrung an.
Mit Beschluss vom 5. Februar 2016 stellte die Strafvollstreckungskammer fest, dass die Vollzugsbehörde dem Beschwerdeführer eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Betreuung angeboten hat (§ 66c Abs. 2 iVm. Abs. 1 Nr. 1 StGB) und ordnete ihm am 5. Dezember 2016 Rechtsanwalt F für "das Verfahren über die Maßregel der Sicherungsverwahrung entsprechend § 140 Abs. 2 StPO" bei. Am 31. Juli 2017 zeigte Rechtsanwalt H an, von dem Betroffenen mit der "Beratung und gegebenenfalls Vertretung neben" Rechtsanwalt F beauftragt worden zu sein.
Am 2. August 2017 ordnete das Landgericht Berlin - Strafvollstreckungskammer - den Vollzug der Sicherungsverwahrung an. Sein hiergegen gerichtetes und über Rechtsanwalt H eingelegtes Rechtsmittel blieb ohne Erfolg (Senat, Beschluss vom 17. Oktober 2017 - 2 Ws 135/17 -). Das Strafende war für den 23. August 2017 notiert. Seit dem 24. August 2017 befindet sich der Beschwerdeführer in Sicherungsverwahrung.
Im vorangegangenen Vollstreckungsabschnitt teilte Rechtsanwalt H mit Schreiben vom 19. Juli 2018 die Beendigung des Mandatsverhältnisses mit, woraufhin der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 24. Juli 2018 (erneut) Rechtsanwalt F gemäß § 463 Abs. 8 StPO zum Pflichtverteidiger bestellte.
Mit Schriftsatz vom 13. September 2018 zeigte Rechtsanwalt O an, den Beschwerdeführer "im aktuellen Verfahrensabschnitt als Wahlverteidiger" zu vertreten. Im Hinblick darauf hob der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 29. Januar 2019 die Beiordnung von Rechtsanwalt F "für diesen Verfahrensabschnitt" auf.
Am 13. Februar 2019 wurde der Beschwerdeführer im Beisein seines Wahlverteidigers mündlich angehört. In diesem Anhörungstermin beantragte Rechtsanwalt O seine "Beiordnung für zukünftige Vollstreckungsabschnitte". Mit Beschluss vom selben Tag ordnete die Strafvollstreckungskammer die Fortdauer der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung an und verkürzte die Überprüfungsfrist auf sieben Monate.
Am 26. Februar 2019 beantragte Rechtsanwalt O mit der Begründung, diese sei für ein "eventuelles Beschwerdeverfahren" notwendig, (erneut) "die Umstellung der Beiordnung" auf ihn. Mit Beschluss vom 27. Februar 2019 lehnte der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer den Antrag ab und bestellte wiederum Rechtsanwalt F gemäß §463 Abs. 8 StPO zum Pflichtverteidiger. Durch Schriftsatz von Rechtsanwalt O vom 1. März 2019 legte der Verurteilte hiergegen Beschwerde ein, die der Senat mit Beschluss vom 23. April 2019 - 2 Ws 62/19 - als unzulässig verwarf. Zugleich wies der Senat darauf hin, dass das Landgericht Berlin - Strafvollstreckungskammer - zu Beginn eines möglichen künftigen Vollstreckungsabschnitts über den (mangels Vorliegens der Voraussetzungen damals noch nicht beschiedenen) Antrag von Rechtsanwalt O auf Bestellung zum Pflichtverteidiger vom 13. Februar 2019 zu entscheiden haben würde. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 23. April 2019 verwiesen.
Die gegen den Fortdauerbeschluss vom 13. Februar 2019 ...