Entscheidungsstichwort (Thema)
Verteidigerwechsel im Überprüfungsverfahren nach § 67e StGB
Leitsatz (amtlich)
Dem Antrag eines in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten auf Bestellung eines anderen als des bisherigen Verteidigers ist jedenfalls dann grundsätzlich zu entsprechen, wenn der Antrag vor Einleitung des neuen Überprüfungsverfahrens gestellt wird (Anschluss an OLG Nürnberg, Beschluss vom 03.02.2016 - 2 Ws 748/15, NStZ 2017, 118).
Normenkette
StPO §§ 143, 463 Abs. 8; StGB § 67e
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 06.06.2019; Aktenzeichen SV-12 StVK 321/19) |
Tenor
- Auf die Beschwerde des Untergebrachten wird die Verfügung der Vorsitzenden der 1. Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg vom 6. Juni 2019 aufgehoben.
- Die Bestellung von Rechtsanwalt S aus O zum Verteidiger des Untergebrachten wird zurückgenommen.
- Dem Untergebrachten wird Rechtsanwältin K aus L als Verteidigerin bestellt.
- Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Untergebrachten hieraus erwachsenden notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Das Landgericht E verurteilte X mit Urteil vom 12.12.2008 unter anderem wegen mehrerer Sexualstraftaten zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und ordnete seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Mit Beschluss vom 30.06.2015 wurde die Gesamtfreiheitsstrafe aufgelöst und unter Einbeziehung einer Geldstrafe nachträglich zwei Gesamtfreiheitsstrafen gebildet; die Anordnung der Sicherungsverwahrung blieb aufrechterhalten. Die verhängten Freiheitsstrafen verbüßte der Beschwerdeführer vollständig. Mit Beschluss des Landgerichts S - Strafvollstreckungskammer - vom 11.08.2015 wurde der Vollzug der Sicherungsverwahrung angeordnet (§ 67c Abs. 1 StGB). Die Sicherungsverwahrung wird seit dem 13.08.2015 - zunächst bis zum 06.06.2016 in der Sozialtherapeutischen Anstalt Baden-Württemberg, seither in der Abteilung für Sicherungsverwahrung der Justizvollzugsanstalt F - vollzogen.
Die Vorsitzende der 1. Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg ordnete mit Verfügung vom 09.06.2016 im Rahmen des Verfahrens zur Bestellung eines Pflichtverteidigers gemäß § 463 Abs. 8 StPO dem Untergebrachten Rechtsanwalt S aus O als Pflichtverteidiger bei. Seither ist - unter Beibehaltung der Beiordnung von Rechtsanwalt S - die Fortdauer der Sicherungsverwahrung mehrfach, zuletzt mit Beschluss vom 10.08.2018 angeordnet worden. Der nächste Prüftermin gemäß § 67e StGB steht zum 10.08.2019 an.
Mit am 12.04.2019 eingegangenem Schriftsatz vom 28.03.2019 beantragte Rechtsanwältin K aus L für den Untergebrachten, sich selbst für das anstehende "Strafvollstreckungsverfahren" als Pflichtverteidigerin zu bestellen. Nachdem die Vorsitzende ihre grundsätzlichen Bedenken namentlich wegen der großen räumliche Entfernung des Kanzleisitzes in Leipzig geäußert hatte, führte sie mit weiterem Schriftsatz vom 24.05.2019 unter anderem aus, dass sie den Untergebrachten seit Dezember 2018 in Strafvollstreckungssachen vertrete, weswegen bereits ein Vertrauensverhältnis entstanden sei. Rechtsanwalt S nahm mit Schriftsatz vom 23.05.2019 Stellung und teilte mit, dass das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Untergebrachten nicht nachhaltig gestört sei, er aber gegen einen Pflichtverteidigerwechsel "keine Einwendungen" erhebe.
Der Untergebrachte wandte sich mit Schreiben vom 29.05.2019 und weiterem, am 07.06.2019 eingegangenem Schreiben an das Gericht, in denen er sinngemäß beantragte, ihm Rechtsanwältin K, der er vertraue, beizuordnen und Rechtsanwalt S zu entpflichten.
Mit Verfügung der Vorsitzenden vom 06.06.2019 wurde der Antrag des Untergebrachten auf Beiordnung von Rechtsanwältin K zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 21.06.2019 eingelegte Beschwerde des Untergebrachten, der die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 24.06.2019 nicht abgeholfen hat.
II.
Die nach § 304 Abs. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Untergebrachten ist begründet, weil die Voraussetzungen eines Auswechselns des bestellten Verteidigers auf seinen Wunsch gegeben sind.
1. Nach verbreiteter Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, die auch vom Senat vertreten wird, gebietet es bereits im Erkenntnisverfahren die aus § 142 Abs. 1 StPO resultierende Fürsorgepflicht des Gerichts, dem Wunsch eines Angeklagten auf Wechsel des Pflichtverteidigers ausnahmsweise auch ohne Vorliegen von "wichtigen Gründen" zur Entpflichtung des bisher bestellten Verteidigers (zu den hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen vgl. nur Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, § 143 Rn. 3 ff.; BeckOK StPO/Krawczyk, 33. Ed. 01.04.2019, StPO § 143 Rn. 6 ff. m.w.N.) dann zu entsprechen, wenn der bisherige Verteidiger damit einverstanden ist und durch die Beiordnung des neuen Verteidigers weder eine Verfahrensbeeinträchtigung noch Mehrkosten für die Staatskasse verursacht werden (Senat, Beschluss vom 17. 2 Ws 582/15, NStZ 2017, 304, auch zur streitigen Frage, inwieweit der Ver...