Entscheidungsstichwort (Thema)
Stimmrecht
Leitsatz (amtlich)
Durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer oder Teilungserklärung kann nicht bestimmt werden, daß das Stimmrecht bei denjenigen Wohnungseigentümern ruht, gegen die ein Beschluß nach § 18 Abs. 3 WEG gefaßt worden ist.
Normenkette
WEG § 10 Abs. 1, § 18 Abs. 3, § 25 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 23.08.1985; Aktenzeichen 191 T 67/84) |
AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 10.05.1984; Aktenzeichen 70 II 63/83) |
Tenor
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß der Zivilkammer 191 des Landgerichts Berlin vom 23. August 1985 – 191 T 67/84 – teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefaßt:
Auf die Erstbeschwerde des Antragstellers wird unter Änderung des Beschlusses des Amtsgerichts Charlottenburg vom 10. Mai 1984 – 70 II 63/83 – festgestellt, daß die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 16. März 1983 zu Tagesordnungspunkt 1) und 2) unwirksam sind.
Im übrigen werden die Erstbeschwerde und die weitere Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten aller Instanzen sind von dem Antragsteller einerseits und der Gemeinschaft (Verwaltungsvermögen) andererseits je zur Hälfte zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert beträgt 5.000,– DM.
Gründe
In der „Teilungserklärung gem. § 3 WEG” vom 29. Januar 1981 heißt es in § 31 Abs. 9: „Das Stimmrecht ruht bei denjenigen Wohnungseigentümern, gegen die ein Beschluß nach § 18 WEG gefaßt worden ist. Die Betroffenen sind vor der Abstimmung über das Ruhen ihres Stimmrechts zu unterrichten.” Am 24. Januar 1983 haben die Wohnungseigentümer beschlossen, dem Antragsteller das Wohnungseigentum zu entziehen. Der Antragsteller verfügt über 13 von 25 Stimmen. In der Eigentümerversammlung vom 16. März 1983 wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, daß sein Stimmrecht ruhe. Zu Tagesordnungspunkt 1) und Tagesordnungspunkt 2) (Jahresabrechnung 1982 bzw. Wirtschaftsplan 1983) Hürde festgestellt, daß jeweils ein Beschluß mit 12 Ja-Stimmen zustande gekommen sei, der Antragsteller dagegen gestimmt habe, aber sein Stimmrecht ruhe; an der Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 3) (Dachsanierung, Schernsteinsanierung und Fahrstuhl) hat der Antragsteller nicht teilgenommen, der Beschluß wurde mit 12 Ja-Stimmen angenommen. Mit dem am Montag, dem 18. April 1983 eingegangenen Antrag hat der Antragsteller beantragt, die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 16. März 1983 für ungültig zu erklären. Er hat die Auffassung vertreten, daß sein Stimmrecht frühestens von dem Zeitpunkt an ruhe, in dem festgestellt werde, daß der Beschluß vom 24. Januar 1983 rechtmäßig sei. Durch Beschluß vom 10. Mai 1984 hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen, die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht durch Beschluß vom 23. August 1985 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.
Das nach §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässige Rechtsmittel hat in der Sache teilweise Erfolg. Hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 1) und 2) der Eigentümerversammlung vom 16. März 1983 ist die angefochtene Entscheidung rechtsfehlerhaft (§ 27 FGG).
Das Landgericht hat ausgeführt: Das Amtsgericht habe mit zutreffender Begründung ein Ruhen des Stimmrechts des Antragstellers gem. § 31 Nr. 9 der von ihm selbst aufgestellten Teilungserklärung angenommen. Das Stimmrecht der Wohnungseigentümer sei gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG abdingabar, es könne für bestimmte Fälle das Ruhen angeordnet werden. Auch ein Verschulden des Antragstellers sei zu bejahen, er habe im Zeitpunkt der Beschlußfassung Zahlungsverplichtungen gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft von mindestens 20,000,– DM gehabt.
Ohne Rechtsirrtum ist der Ausgangspunkt der angefochtenen Entscheidung, daß durch Vereinbarung oder Teilungserklärung die Regelung des § 25 Abs. 5 WEG, wonach ein Wohnungseigentümer in bestimmten Fällen nicht stimmberechtigt ist, erweitert oder eingeschränkt werden kann. Die Abdingbarkeit des § 25 Abs. 5 WEG ist jedoch nicht unbegrenzt möglich. Die Grenzen für den Inhalt der Vereinbarung werden außer von §§ 134, 138 BGB auch von §§ 242, 315 BGB gezogen (BayOblG NJW 1973, 151; OLG Hamm OLGZ 1975, 428, 431; BGB-RGRK-Augustin 12. Aufl. WEG § 10 Rdr. 12; Weitnauer, WEG 6. Aufl. § 7 Rdr. 10 g; Bärmann/Pick/Merle WEG 5. Aufl. § 10 Rdr. 53). Daraus ergibt sich, daß grob unbillige Regelungen der Gemeinschaftsordnung unwirksam und damit unbeachtlich sind.
Die Regelung in § 31 Abs. 9 der Gemeinschaftsordnung vom 29. Januar 1981, wonach das Stimmrecht bei denjenigen Wohnungseigentümern ruht, gegen die ein Beschluß nach § 18 WEG gefaßt worden ist, verstößt gegen den auch das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben und ist grob unbillig. Das Stimmrecht ist ein wichtiges Recht des Wohnungseigentümers, weil er damit an der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums in großem Umfange mitwirken kann. ...