Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus einer rechtmäßig angeordneten Telekommunikationsüberwachung, wenn sich im Zuge der Ermittlungen die gleiche prozessuale Tat gegen eine zum Zeitpunkt der Anordnung nach § 100a Abs. 3 StPO noch unbekannte Person richtet.
Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Telekommunikationsüberwachung rechtmäßig angeordnet, dann sind die darüber gewonnenen Erkenntnisse verwertbar, auch wenn sich im Zuge der Ermittlungen die gleiche prozessuale Tat nur noch als "Nichtkatalogtat" nach § 100a Abs. 2 StPO darstellt und die ursprüngliche Anordnung nicht mehr hätte ergehen dürfen.
2. Soweit es sich um die gleiche prozessuale Tat handelt, dürfen die durch die Überwachung gewonnenen Erkenntnisse auch hinsichtlich anderer Beteiligungsformen der zunächst angenommenen Katalogtat und hinsichtlich anderer Tatbeteiligter verwertet werden.
3. Dies gilt auch dann, wenn die Angeklagte zum Zeitpunkt der Anordnung der Telekommunikationsüberwachung nicht zu dem Personenkreis gehörte, gegen den sich nach § 100a Abs. 3 StPO die Anordnung richtete.
4. Bei dieser Fallkonstellation kommt § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht zum Tragen, weil es sich nicht um ein anderes Strafverfahren im Sinne dieser Vorschrift handelt.
Normenkette
StPO § 100a Abs. 2-3, § 477 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 13.06.2019; Aktenzeichen (578) 273 Js 4855/17 (6/19)) |
Tenor
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. Juni 2019 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.
2. Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat die Angeklagte am 1. November 2018 vom Vorwurf der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln freigesprochen. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Berlin dieses Urteil am 13. Juni 2019 aufgehoben und die Angeklagte wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu jeweils 15 Euro verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision der Angeklagten, mit welcher diese die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
II.
1. a) Die Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, die Strafkammer habe ein im Hinblick auf die Telekommunikationsüberwachung bestehendes Beweisverwertungsverbot missachtet, ist bereits unzulässig, da sie nicht die Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfüllt. Der Revisionsbegründung ist der Inhalt des der Telekommunikationsüberwachung zugrundeliegenden richterlichen Beschlusses nicht zu entnehmen, sodass der Senat nicht prüfen kann, ob im Zeitpunkt der ermittlungsrichterlichen Beschlüsse die Voraussetzungen für eine solche Überwachung vorgelegen haben (vgl. BGH NStZ 2018, 550 m.w.N.; NStZ 2008, 230).
Darüber hinaus verkennt die Revision, dass im Falle einer im Zeitpunkt ihrer Anordnung rechtmäßigen Telekommunikationsüberwachung die hieraus gewonnenen Erkenntnisse auch dann verwertbar sind, wenn sich nach den weiteren Ermittlungen hinsichtlich der gleichen prozessualen Tat nur noch der Verdacht einer Tat erweist, die sich nicht im Katalog des § 100a Abs. 2 StPO findet und die ursprüngliche Anordnung daher nicht hätte ergehen dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 1974 - 1 StR 365/73 -, juris).
Ein Anwendungsfall des § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO, der die Verwendung von Zufallsfunden regelt, liegt in Bezug auf die Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung im Verfahren gegen die Angeklagte nicht vor, da es sich nicht um ein anderes Strafverfahren im Sinne der Vorschrift handelt. Denn die Aufklärung der Anlasstat einschließlich der Verfahren gegen Mitbeteiligte ist von der Norm nicht erfasst (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., § 477 Rn. 5). Vielmehr dürfen in rechtmäßiger Weise erlangte Erkenntnisse auch hinsichtlich anderer Beteiligungsformen der zunächst angenommenen Katalogtat und auch hinsichtlich anderer Tatbeteiligter verwertet werden, soweit es sich um die gleiche prozessuale Tat handelt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 8. August 2013 - III-1 RVs 58/13 -, juris; BT-Drs. 16/5846, S. 66). Dies gilt auch dann, wenn die Angeklagte zum Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahme nicht zu dem Personenkreis gehörte, gegen den sich nach § 100a Abs. 3 StPO die Anordnung richtet (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2018 - 2 StR 497/17 -, juris; NStZ 1979, 1370). Es steht der Verwertbarkeit der Erkenntnisse daher nicht entgegen, dass die Angeklagte lediglich Beihilfe zu den Taten leistete, die Grundlage eines Beschlusses nach § 100a StPO waren.
b) Der Vortrag, der Zeuge M D sei in der Hauptverhandlung ohne die Hinzuziehung eines Dolmetschers vernommen worden, gleichwohl er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, verhilft der Revision ebenso nicht zum Erfolg. Zwar kann die fehlende Hinzuziehung eines Dolmetschers für einen Zeugen nach § 185 Abs. 1 Satz 1 GVG in Verbindung mit § 338 Nr. 5 StPO die Revision begründen (vgl. BayObLG NStZ-RR 2005, 1...