Leitsatz (amtlich)
Droht die Zwangsvollstreckung aus einem ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbaren, mit der Berufung angegriffenen Räumungsurteil vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, kann bei der Entscheidung über die Einstellung der Zwangsvollstreckung die Erfolgsaussicht der Berufung nicht entscheidend berücksichtigt werden, wenn noch keine abschliessende Berufungsbegründung vorliegt.
Bei der Beurteilung der Fähigkeit einer oHG als Beklagter, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden zu können, kommt es nur auf die Vermögenslage der Gesellschaft an, nicht aber auf die der Gesellschafter.
Nicht zu ersetzender Nachteil i.S.d. § 707 ZPO wegen Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz im Fälle der Räumung des Geschäftslokals (Hotel) als einziger Einnahmequelle der Beklagten.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 10.01.2008; Aktenzeichen 32 O 644/07) |
Tenor
Die Zwangsvollstreckung der Klägerin aus dem am 10.1.2008 verkündeten Räumungsurteil des LG Berlin - 32 O 644/07 - wird einstweilen bis zur Entscheidung über die Berufung ohne Sicherheitsleistung eingestellt.
Gründe
Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen ihre Verurteilung zur Räumung von Geschäftsräumen, die ihr durch Mietvertrag mit der Klägerin zur Nutzung als Hotel überlassen worden waren; zugleich beantragt sie die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Räumungsurteil, das ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, wobei die Beklagte die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 123.000 EUR abwenden darf.
Der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung vom 19.2.2008 ist begründet, §§ 707, 719 ZPO.
Die Beklagte hat glaubhaft gemacht, dass sie zur Sicherheitsleistung zwecks Abwendung der Zwangsvollstreckung (für den 6.3.2008 angekündigte Räumung des Hotels durch den Obergerichtsvollzieher J L) nicht in der Lage ist. Auch hat sie glaubhaft gemacht, dass ihr im Falle der zwangsweisen Räumung ein nicht zu ersetzender Nachteil droht.
I. Nach §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO kann das Berufungsgericht auf Antrag des Schuldners anordnen, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird. Eine Einstellung ohne Sicherheitsleistung ist nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Schuldner zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, § 707 Abs. Satz 2 ZPO. Die Entscheidung über die Einstellung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, wobei es die gegenseitigen Interessen von Gläubiger und Schuldner unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Berufung gegeneinander abzuwägen hat.
II. Die im Eilverfahren gebotene summarische Abwägung führt auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin im Schriftsatz vom 26.2.2008 vorgetragenen Gesichtspunkte zur Einstellung der Zwangsvollstreckung.
1. Die Beklagte hat - nach Hinweis des Senats vom 21.2.2008 - hinreichend glaubhaft gemacht (§ 294 ZPO), dass sie zur Leistung der vom LG für eine Vollstreckungsabwendung festgesetzten Sicherheit i.H.v. 123.000 EUR nicht in der Lage ist.
a) Unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen und eidesstattlichen Versicherungen der Gesellschafter sowie der in Ablichtung vorgelegten Erklärung des Steuerberaters Peter Hecht vom 22.2.2008 sowie der eidesstattlichen Erklärung des G H vom 24.2.2008 hält der Senat eine Zahlungsunfähigkeit der Hotel R oHG als Vollstreckungsschuldnerin jedenfalls für wahrscheinlich (§ 294 ZPO).
b) Entgegen der von der Klägerin angedeuteten Auffassung kommt es für die Glaubhaftmachung der Unfähigkeit, Sicherheit i.S.d. § 707 Abs. 1 ZPO zu leisten, nur auf die Fähigkeit der oHG an, nicht auf diejenige der Gesellschafter.
Das ergibt sich vollstreckungsrechtlich aus dem Wortlaut des § 707 Abs. 1 Satz 2 ZPO: Es ist Sache des Vollstreckungsschuldners, dazulegen, dass er die Sicherheit nicht erbringen kann. Das Urteil, aus dem vollstreckt werden soll, richtet sich jedoch nur gegen die oHG. Die Gesellschafter sind nicht als Partei zur Räumung verurteilt worden und sind nicht Vollstreckungsschuldner (§ 129 Abs. 4 HGB). Damit kommt es auf ihre Leistungsfähigkeit hier nicht an.
Zu demselben Ergebnis führt eine gesellschaftsrechtliche Betrachtung.
Eine Heranziehung der Gesellschafter im Außenverhältnis über die Haftungsregelung des § 128 HGB für die Vollstreckungsabwendung durch Sicherheitsleistung scheidet aus, denn es handelt sich bei der Abwendungsbefugnis nicht um eine Gesellschaftsverbindlichkeit, sondern allenfalls um eine Obliegenheit der Gesellschaft: Sie ist nicht durchsetzbar, sondern ihre Nichtwahrnehmung bringt der Gesellschaft unter Umständen Rechtsnachteile.
Die Gesellschafter der oHG müssen der Gesellschaft aber auch im Innenverhältnis über die geleisteten Beiträge hinaus keine Mittel zur Verfügung stellen, damit sie Sicherheit nach § 707 Abs. 1 ZPO leisten kann. Zwar sind die Gesellschafter nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) aus ihrem personengebundenen Gemeinschaftsverhältnis zu a...