Leitsatz (amtlich)
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Vorabentscheidung folgende Fragen vorgelegt:
a) Handelt es sich bei der Ehescheidung auf Grundlage der Art. 82, 87, 89, 90 Código Civil/Spanien um eine Entscheidung über die Scheidung einer Ehe im Sinne der Brüssel IIa-VO?
b) Für den Fall der Verneinung der voranstehenden Frage: Ist eine Ehescheidung auf der Grundlage der Art. 82, 87, 89, 90 Código Civil/Spanien entsprechend der Regelung des Art. 46 Brüssel IIa-VO zu öffentlichen Urkunden und Vereinbarungen zu behandeln?
Normenkette
AEUV Art. 267; Codigo Civil Art. 82, 87, 89-90; Brüssel IIa-VO Art. 1 Abs. 1a, Art. 2 Nr. 4, Art. 21 Abs. 1, Art. 46; FamFG §§ 97, 107
Tenor
1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
2. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1a, Art. 2 Nr. 4, Art. 21 Abs. 1, Art. 46 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel IIa-VO) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
a) Handelt es sich bei der Ehescheidung auf Grundlage der Art. 82, 87, 89, 90 Código Civil/Spanien um eine Entscheidung über die Scheidung einer Ehe im Sinne der Brüssel IIa-VO?
b) Für den Fall der Verneinung der voranstehenden Frage: Ist eine Ehescheidung auf der Grundlage der Art. 82, 87, 89, 90 Código Civil/Spanien entsprechend der Regelung des Art. 46 Brüssel IIa-VO zu öffentlichen Urkunden und Vereinbarungen zu behandeln?
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1 besitzt die deutsche, die Beteiligte zu 2 die niederländische Staatsangehörigkeit. Am 14. März 2003 schlossen sie vor dem Standesamt B.-M. miteinander die Ehe - Eheregistereintrag E 2.../2.... Anschließend lebten sie bis August 2020 gemeinsam in B.. Im September 2020 zog der Beteiligte zu 1 nach Spanien. Die Beteiligte zu 2 folgte im Februar 2021, allerdings nicht in dieselbe Wohnung wie der Beteiligte zu 1. Die Beteiligten leben noch heute - getrennt voneinander - in Spanien.
Im Verfahren 22 F 85/21 wies das Amtsgericht Schöneberg - Familiengericht - am 21. September 2021 den Beteiligten zu 1 darauf hin, dass es zur Entscheidung über den dort gestellten Antrag auf Scheidung der Ehe nicht zuständig sei, da beide Ehegatten in Spanien lebten.
Am 22. Oktober 2021 erklärten die Beteiligten zur Urkunde Nr. 2... des Notars J. C. T. in S. C. de L. P./Spanien ihren Willen, ihre Ehe aufzulösen und sich einvernehmlich scheiden zu lassen. Sie gaben gegenüber dem Notar darüber hinaus u.a. an, keine gemeinsamen Kinder zu haben und auf die Durchführung eines Versorgungsausgleichs zu verzichten.
Dem Standesamt B.-M. übersandte der Beteiligte zu 1 die mit einer Apostille versehene notarielle Urkunde. Eine Folgebeurkundung nahm das Standesamt gleichwohl nicht vor, weil es die Ansicht vertrat, zunächst müsse ein Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG durchgeführt werden.
Der Beteiligte zu 1 hat darauf bei der Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung die Anerkennung der Scheidung seiner Ehe beantragt und dazu die notarielle Urkunde vom 22. Oktober 2021 vorgelegt. Die Senatsverwaltung hat den Antrag mit am 4. Februar 2022 dem Zustelldienstleister übergebenen Bescheid vom 31. Januar 2022 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1 mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 7. März 2022.
Der Senat hat der Beteiligten zu 2 Gelegenheit gegeben, sich zu dem Antrag des Beteiligten zu 1 zu äußern. Eine Stellungnahme hat die Beteiligte zu 2 nicht abgegeben.
II. 1. Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben, dem Ehebande nach oder unter Aufrechterhaltung des Ehebandes geschieden oder durch die das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zwischen den Beteiligten festgestellt worden ist, werden nur anerkannt, wenn die Landesjustizverwaltung festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen, § 107 Abs. 1 S. 1 FamFG. Die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen oder nicht vorliegen, ist für Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend, § 107 Abs. 9 FamFG. Lehnt die Landesjustizverwaltung den bei ihr gestellten Antrag ab, kann der Antragsteller beim Oberlandesgericht - in Berlin dem Kammergericht, § 1 S. 1 JustizG Berlin - die Entscheidung beantragen, § 107 Abs. 5 FamFG. Hier hat die nach § 107 Abs. 2 S. 3 FamFG zuständige Justizverwaltungsbehörde des Landes Berlin den Antrag auf Anerkennung der in Spanien durchgeführten Scheidung der Ehe der Beteiligten abgelehnt, womit dem Beteiligten zu 1 der Rechtsweg zum Kammergericht eröffnet worden ist.
Der Antrag nach § 107 Abs. 1 S. 1 FamFG ist jedoch nicht statthaft, wenn es sich um eine in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (außer Dänemark) ergangene Entscheidung handelt, auf die die Regelungen einer EU-Verordnung Anwendung finden. Solche Regelungen sind insbesondere...