Verfahrensgang
KG Berlin (Rechtsentscheid vom 22.06.1981; Aktenzeichen 8 W RE Miet 4340/80) |
AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 12 C 602/80) |
LG Berlin (Aktenzeichen 65 S 151/81) |
Tenor
Der Rechtsentscheid des Kammergerichts vom 22. Juni 1981 – 8 W RE Miet 4340/80 – wird wie folgt ergänzt:
1. Bei der Prüfung der Frage, ob einem Wohnungsmieter eine Duldung von Maßnahmen zur Verbesserung der gemieteten Räume gemäß § 541 a Abs. 2 Satz 1 BGB zugemutet werden kann, ist die Möglichkeit, Wohngeld in Anspruch zu nehmen, mit zu berücksichtigen.
2. Das Wohngeld ist als Teil des Gesamtnettoeinkommens des Mieters zu behandeln.
Macht der Mieter von dem ihm zustehenden Anspruch auf Wohngeld keinen Gebrauch, muß er sich wegen der Duldungspflicht so behandeln lassen, als würde ihm Wohngeld gewährt.
3. Der Umfang der Duldungspflicht bestimmt sich nicht danach, ob der Mieter die durch die Wohnwertverbesserung bedingte Mieterhöhung im wesentlichen mit dem Wohngeld auffangen kann. Sondern es gelten die Grundsätze, die im Rechtsentscheid vom 22. Juni 1981 aufgestellt sind.
Tatbestand
I.
Der Beklagte ist aufgrund des schriftlichen Mietvertrages vom 30. Januar 1979 seit dem 1. März 1979 Mieter einer ofenbeheizten Zwei-Zimmer-Altbau-Wohnung im Gartenhaus, vierte Etage rechts, des Hauses … in …. Im Mietvertrag ist der Mietzins für die 58,81 m² große Wohnung mit monatlich 171,98 DM vereinbart. Seit dem 1. Januar 1981 beträgt der Mietzins monatlich 194,34 DM. Die Kläger sind seit dem 2. Oktober 1980 Eigentümer des Grundstücks …
Sie beabsichtigen eine Modernisierung sämtlicher Wohnungen des Hauses, Bereits im Juli 1980 unterrichteten sie die Wohnungsmieter von den Modernisierungsplänen. Mehrere Mieter, darunter der Beklagte, teilten den Klägern mit, daß sie nicht bereit seien, den Einbau einer Gemeinschaftsantenne, einer Gegensprechanlage und einer Gas-Etagenheizung zu dulden. Mit dem Schreiben vom 23. September 1980 ließen die Kläger den Mietern die voraussichtlichen Modernisierungskosten und die sich daraus ergebende erhöhte Miete mitteilen; die Mieterhöhung sollte sich hiernach auf 1,80 DM monatlich je Quadratmeter Wohnfläche belaufen. Der Beklagte erwiderte mit dem Schreiben vom 11. Oktober 1980:
Er studiere und erhalte BAFöG-Leistungen von monatlich 666,– DM. Sein Einkommen liege im Durchschnitt monatlich unter 900,– DM. Die neue Miete würde über 380,– DM monatlich betragen. Er wäre nicht in der Lage, eine Miete in dieser Höhe aufzubringen. Daher widerspreche er der geplanten Modernisierung.
Die Kläger haben daraufhin gegen den Beklagten Klage auf Duldung bestimmter näher bezeichneter Modernisierungsarbeiten erhoben.
Es ist ein Anerkenntnis-Teilurteil ergangen, durch das der Beklagte verurteilt worden ist, in seiner Wohnung den Einbau einer Gassteigeleitung zu dulden.
Die Kläger begehren, den Beklagten weiter zu verurteilen, in seiner Wohnung den Einbau einer Gas-Etagenheizungsanlage, eines Warmwasserboilers für Küche und Bad, eines Zweischeiben-Isolierglasfensters in der Küche, einer Anschlußsteckdose für die Gemeinschaftsantenne und einer Sprechanlage in der Diele zu dulden. Mit seinem Schlußurteil hat das Amtsgericht Charlottenburg insoweit die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger.
Sie tragen vor:
Der Beklagte sei zur Duldung der beabsichtigten Modernisierungsarbeiten verpflichtet. Das ergebe sich aus § 11 Abs. 2 des Mietvertrages, wonach der Mieter Maßnahmen zur Verbesserung oder Modernisierung der Mietsache oder des Gebäudes zu dulden habe, es sei denn, daß ihm dies nicht zugemutet werden könne. Die beabsichtigten Arbeiten dienten der Erhöhung des Gebrauchswertes der Wohnung und der Erhöhung des Substanzwertes des Gebäudes. Auch Altbau-Wohnungen müßten heutzutage modernisiert werden, um sie den allgemein gestiegenen Bedürfnissen nach Wohnkomfort anzupassen. Dieses Ziel habe der Gesetzgeber bei der Einführung des § 541 a Abs. 2 BGB im Auge gehabt.
Bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer Modernisierungsmaßnahme sei die finanzielle Belastung des Mieters grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Aber selbst wenn die auf die Wohnung des Beklagten entfallende Mieterhöhung zu berücksichtigen wäre, ergäbe sich daraus im vorliegenden Falle nicht die Unzumutbarkeit für den Beklagen.
Es werde bestritten, daß der Beklagte nur ein monatliches Einkommen von 666,– DM habe. Sofern dies zutreffen sollte, habe er auf jeden Fall einen Anspruch auf Wohngeld in Höhe von 124,– DM. Dann beliefe sich sein monatliches Einkommen auf wenigstens 790,– DM.
Der Beklagte hat erwidert:
Nach wie vor könne er nicht mehr als die Hälfte seiner Einkünfte für seine Wohnung ausgeben. In diesem Zusammenhang komme es nicht darauf an, ob er Wohngeld beanspruchen könne.
Entscheidungsgründe
II.
Das Landgericht Berlin hat dem Kammergericht folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:
- Ist im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit von Modernisierungsverlangen des Vermieters gemäß § 541 a Abs. 2 BGB hinsichtlich der wirtschaftlichen Belastbarkeit des Mieters wegen ...