Entscheidungsstichwort (Thema)

Beseitigung eines von einer Sondernutzungsfläche ausgehenden Überbaus

 

Leitsatz (amtlich)

1. Lage und Größe eines im Wohnungsgrundbuch eingetragenen Sondernutzungsrechts sind durch Auslegung des Grundbuchs, insbesondere der in der Bewilligungserklärung in zulässiger Weise in Bezug genommenen Urkunden zu ermitteln.

2. Die Wohnungsseigentümer können in entsprechender Anwendung der Regeln über den entschuldigten Überbau verpflichtet sein, einen vom Sondernutzungsberechtigten verursachten Überbau der Begrenzung der Sondernutzungsfläche zu dulden. (Im konkreten Fall verneint)

3. Grundsätze von Treu und Glauben schließen den Beseitigungsanspruch im Regelfall nicht aus, können jedoch einen Aufschub seines Vollzuges gegen Sicherheitsleistung rechtfertigen.

 

Normenkette

WEG § 15 Abs. 3; BGB §§ 912, 1004

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 23.09.1997; Aktenzeichen 85 T 115/97)

AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 70 II 52/92)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin vom 23. September 1997 – 85 T 115/97 (WEG) – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Rückbau längstens bis zur Beendigung des zwischen den Wohnungseigentümern und dem Architekten L. B. bestehenden Mietvertrages vom 14. Januar 1994 über den Bodenraum aufgeschoben werden kann, wenn die Antragsgegner zugunsten der Wohnungseigentümer Sicherheit durch Hinterlegung eines Betrages von 50.000,00 DM leisten oder eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer Deutschen Großbank in dieser Höhe stellen.

Die Antragsgegner haben die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 40.000,00 DM.

 

Gründe

Die aus 3. Sondereigentumseinheiten bestehende Wohnungseigentumsanlage ist nach § 8 WEG durch notarielle Teilungserklärung vom 22. März 1984 (UR-Nr. 331/1984 des Notars K. M. in Berlin) i.V. mit der notariellen Änderungserklärung vom 2. April 1984 (UR-Nr. 384/1984 des Notars K. M.) gebildet worden. Die Antragsgegner sind Eigentümer der im Dachgeschoß gelegenen Eigentumswohnung Nr. … Dem Sondereigentum ist das Sondernutzungsrecht an den angrenzenden Bodenkammern zugeordnet, so wie es aus der Photokopie des nicht mit Maßen versehenen Aufteilungsplans erkennbar ist. Die Begrenzung zwischen der dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Fläche und dem angrenzenden Raum der Bodenkammern ist durch eine in der Photokopie des Aufteilungsplanes eingetragene rote Linie markiert; sie geht von dem hinteren Knick des – von der Wohnung Nr. 36 aus gesehen – vorderen Kniestocks – d. i. die Fläche mit einer lichten Höhe unter einem Meter (s. Gutachten B. S. 3) – in der Nähe des Schornsteins aus und stößt im rechten Winkel auf die Hauswand. Die Photokopie des Aufteilungsplanes ist der Teilungserklärung als Anlage beigefügt. –Nach Nr. II der Teilungserklärung ist der Eigentümer des Sondereigentums Nr. 36 befugt, die seinem Eigentum als Sondernutzungsrecht zugewiesene Fläche des Dachgeschosses zu Wohnräumen auszubauen. Die Gesamtfläche des Sondereigentums und des Sondernutzungsrechts umfaßt nach Nr. I 36 der Teilungserklärung i. V. mit der notariellen Änderungserklärung vom 2. April 1994 „ca. 221,37 m²”. – Die Antragsgegner haben mit Mietvertrag vom 21. Dezember 1987 und dessen Nachtrag vom selben Tage die Wohnung Nr. 36 mit einer Wohnfläche von 93,17 m² und die anschließende Sondernutzungsfläche mit 110 m² an den Architekten Ludger Bühren und dessen Ehefrau vermietet und ihnen das Recht eingeräumt, die Sondernutzungsfläche auszubauen. Der Architekt hat das getan und die Sondernutzungsfläche u.a. mit einem luxuriösen Badezimmer ausgestattet. Er hat dabei die äußerste, an die benachbarte Bodenkammer anstoßende Wand über die in der Photokopie des Aufteilungsplanes erkennbare rote Linie hinaus in die dem Benutzungsrecht aller Wohnungseigentümer offenstehende Bodenkammer verschoben. Die Wohnungseigentümer, vertreten durch die damalige Verwalterin, haben mit Vertrag vom 14. Januar 1994 dem Architekten Bühren den hinter der streitbefangenen Sondernutzungsfläche liegenden Bodenraum von 23 m² Größe vermietet.

Die Antragsteller haben erstinstanzlich beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, den Überbau zu beseitigen und dem Architekten Bühren die Nutzung des an die Sondernutzungsfläche angrenzenden Bodenraums zu untersagen. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 11. März 1997 beide Anträge zurückgewiesen. Auf die Erstbeschwerde der Antragsteller hat das Landgericht mit Beschluß vom 23. September 1997 die Antragsgegner nach Maßgabe des Tenors seiner Entscheidung und der ihm angeschlossenen Zeichnung zum Rückbau verpflichtet, die weitergehende sofortige Beschwerde jedoch zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner, mit der sie beantragen, die sofortige Beschwerde auch insoweit zurückzuweisen, als das Landgericht sie zum Rück...

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